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Öfters prangt an der Spitze des Banmes eine bekränzte Weinflasche oder flattert anch
ein rothseidenes Tüchel, das ein Bursche als kühner Kletterer für seine Schöne herabholen
mag. In aller Frühe zieht ein Mnsikant dnrch den Ort und weckt mit seinem Instrumente
die Schläfer. (Um Retz, V. U. M, B.) Am Vormittag ist Festgottesdienst; nach Tisch
spielt die Musikbande vor dem Pfarrhofe, überhaupt vor den „besseren" Häusern, wird
dafür bewirthet und erhält obendrein ein Trinkgeld. An der Spitze der Musikbande ziehen
die Hütteubursche mit Sträußen und Seidenbändern auf den Hüten und in den Knopf-
löchern, die Weinflasche in der einen, das Trinkglas in der andern Hand schwenkend. So
verlangen sie Einlaß in die Häuser, warteu dem Hausherrn uud der Hausfrau mit Wein
auf und laden sie zum Kirchtag ein. Nach dem Nachmittagsgottesdienste beginnt nun das
eigentliche Volksfest. Ans den Nachbardörfern kommen Bursche und Mädchen scharenweise
gezogen, den Kirchtag mitzumachen und sich wieder einmal ordentlich anszutanzen. Die
Mnsik spielt jeder nen ankommenden Schar, auch einzelnen Paaren zum Willkomm ein
Stückchen auf und begleitet sie ein. (Das ist das „Einbloaten".) Sind genügend Gäste
beisammen und ist der Eintritt gezahlt, beginnt der Tanz. Im Marchfelde haben Deutsche
und Slovakeu gesonderte Tanzlocale, was sich aus der Verschiedenheit der Nationalität
allein schon erklärt, noch mehr aber praktisch ans der Verschiedenheit der Tänze beider
Volksstämme. Nach jedem Tanze gibt der Bursche seiner Trauten einen Handschlag, den
diese sogleich erwiedert, worauf sie auf ihren Platz zu den Kameradinnen zurückgeht. In
den Zwischenpausen stellen sich die Bursche vor die Musikanten hin und singen Vierzeiler,
welche das ganze Orchester begleitet. Um die Tanzhütte herum sitzen die verheirateten
Männer mit ihren Weibern, Kindern und Gästen und trinken Wein, Bier oder Meth; auch
Näschereien stehen anf dem roh gezimmerten Tische, damit besonders die Kinder etwas
zum Zubeißen haben. Fleischspeisen ißt jedoch kein Dorfbewohner auf dem Kirchtagplatz,
auch seinen Gästen läßt er keine solchen auftragen, damit es nicht den Anschein habe, als
hätte er zu Hause nicht genug Vorsorge getroffen. Auch die Tänzerinnen, wenn sie von
einem Nachbardorfe gekommen sind, werden von den einheimischen Burschen ins Eltern-
haus zum Abendessen eingeladen. Sind aber beide „fremd", so zahlt der Tänzer seinem
Mädchen ein Viertel „Gansl", Kaffee und Wein. Früher war es auch Sitte, daß die
Dorfbursche je einen Musikanten zum Mittag- und Abendessen einluden. (So besonders
um Salapulka, V. O. M. B.)
Vor dem Wirthshause, im Thorwege und Hofe desselben sind Lebzelterbuden auf-
geschlagen. Auch Gotscheer („Gotscheberer") treiben sich mit ihren Körben auf dem Platze
herum und die Bursche spielen „Hoch und Nieder" oder „Grad' und Ung'rad'" um
Oraugeu, Zuckerschachteln, Feigenkränze und dergleichen. Getanzt wird die ganze Nacht
hindurch; am Morgen lassen sich die Bursche mit ihren Mädchen gegen ein Trinkgeld
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317