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Ist der Vater alt geworden, will er Haus und Hof „übergeben" und sich in die
„Ausnahme" zurückziehen, so muß sich der Sohn, welchem das umfangreiche Anwesen
zufällt, nach einem tüchtigen „Weib" umsehe». Meist hat sein Herz schon früher gewählt,
er hat lange Zeit eine „Bekanntschaft" gehabt — oft ganz in Ehren — und so braucht er
jetzt nicht lange zu suchen. Gleichwohl wirbt er um die Hand der Auserwählteu, mag er
ihres Jawortes auch iusgeheim gewiß sein, nicht leicht mit Hintausetzung der üblichen
Förmlichkeiten, welche Andere nothgedrungen beobachten müssen, wollen sie einen etwaigen
„Korb" nicht in eigener Person davontragen. Es wird also der Heiratsvermit t ler
ins Geheimniß gezogen, der dann auch bei der Hochzeit selbst gewöhnlich eine wichtige
Rolle spielt und uuu zunächst mit auf die „Brautschau" gehen muß. Er ist fast immer
ein verheirateter Manu uud führt in seiner Mittlerrolle verschiedene Namen. Im uieder-
österreichischeu Flachlande heißt er durchweg „Heiratsmann", in dem an Oberösterreich
grenzenden Theile des V. O. W.W. „Lentbitter", im Ötschergebiete „Kuppler" oder,
besonders im Ibbsthal, „Bitt'lmanu" (gesprochen „Bidlmann"), am Wechsel „Bittmann".
Im letztgenannten Gebiete wird auch der Braut ein besonderer Vertrauensmann beigegeben,
welcher den Namen „Spruchmauu" führt. Mauche Gemeinde hat ihren „ständigen"
Heiratsmauu, der die „Freundschaft" (die Verwandten) der einzelnen Familien selbst bis
zu den entfernteren Graden genau keimt und gar nicht zu fragen braucht, wen er ordnungs-
gemäß einzuladen habe. Er ist auch hier und da zugleich einer der „Beistände" oder
„Zeugen" der Brautleute. Im Ötschergebiete geht er öfter allein für den zukünftigen
Ehemann „bitt'lu", in der Regel aber ist er dessen Begleiter. Beide machen im Elternhanse
des zur Braut auserseheueu Mädcheus einen Besuch (am Wechsel „Bitt'l-B'snch" genannt),
zuweilen uuter dem Vorwaude, ein Stück Vieh zu kaufen, meist aber, um ohueweiters
um das Mädchen „anzuhalten". Sie werden dabei gut bewirthet und bestimmen im
günstigen Falle mit den Eltern der Braut sogleich deu Tag für das „G'wißmacheu"
oder „Versprechen". An diesem kommt der Bräutigam mit seinen Eltern in das
Haus der Braut und es wird daselbst Alles, was liegt und steht, genau gemustert, im
Stalle jedes „Stückl" Vieh besonders geprüft, der etwaige „Schuldenstand" besprochen
und schließlich über die Mitgift und sonstigen Heiratsbedingnngen „verhandelt", wobei
der Bauer oft als eiu recht „trockener Bruder" sich zeigt, der nicht „Haare lassen will"
und wegen ein paar „Zehnernoten" oder eines „Schnittliugs" (Öchsleius) uud dergleichen
sich gewaltig „spreizt".
Ist die Hochzeit „g'wiß" gemacht, so bestimmt man vor Allem den „Ehrentag" (so
heißt der Hochzeitstag), welcher in der Regel ein Dienstag ist, ferner das Haus, in welchem
die Hochzeit gehalten werden soll (Elternhaus des Bräutigams oder der Braut oder aber
eiu Wirthshaus), die Zahl der Gäste uud dergleichen mehr. Znm Schlüsse folgt eine
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317