Seite - 235 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
Bild der Seite - 235 -
Text der Seite - 235 -
235
über auf dem Haupte trägt; auch sind dort die Kranzltänze zugleich die „Ehrentänze".
Anders verhält es sich dagegen in den übrigen Gebieten Niederösterreichs. Da verschwindet
um Mitternacht die Braut plötzlich aus dem Tanzsaale nnd zieht sich in ein einsames
Kämmerlein zurück, aus welchem sie der Brautführer holt, dem der Bräutigam schwere
Vorwürfe darüber macht, daß er seine Schutzbefohlene so schlecht bewacht habe. Sobald
die „Gefundene" erscheint, wird sie mit freudiger Musik begrüßt und, nachdem sie mit
dem Bräutigam und dem Brautführer noch je einmal herumgetanzt hat, trotz Weinen und
Klagen mitten im Tanzsaale auf einen Sessel oder Schemel gesetzt. Der Brantsührer nimmt
der sich sträubenden den „Jungfraukranz" vom Haupte, wobei die Gäste ein vielstimmiges
Kindergeschrei nachahmen, die Musikanten aber eine ohrenzerreißende Katzenmusik pro-
dneiren. (Im Leithagebiete.) An manchen Orten (z. B. um Retz, V. U. M. B.) wird eine
Trauermusik gespielt. An Stelle des Kranzes wird der Braut die „schwarze", am Stein-
felde die „goldene" Weiberhaube aufgesetzt, worauf sie sich sogleich auf einige Zeit zurück-
zieht oder aber erst noch einmal mit dem Bräutigam tanzt. Im Marchfelde wurde früher
der Braut das „Krauzl" unsanft aus den Haaren gerissen und ein Glas Wasser über den
Rücken oder unter den Sessel gegossen; am Wechsel lockert zuvor die Brautmutter den
Kranz, im Leithagebiete nimmt ihn die „Tausgod'u" ab.
Die hier beschriebene Scene wird gewöhnlich auch mit „Gstanz'ln" begleitet, welche
znweilen einen gar ernsten, rührenden Ton anschlagen, z. B.:
„O mein' liabe Jungfrau Braut,
Es darf di nit verdriaß'n; -
Dein wunderschön's Kranzerl
Hat hiazt aba müaß'n."
„Die Braut und der Bräutigam —
Die Nam san vorbei; Du, Bräutigam, bist Mann,
Und sie ist dein Wei'."
„Aus ist der Jungsrau'nstand,
G'schlossn ist das Eheband;
Fangts an in Gottes Nam'
Und Halts schön z'samm."
Am Wechsel führt die Brautmutter die Braut, nachdem sie derselben die „Gugl-
hanb'n" aufgesetzt hat, dem Bräutigam als sein „Weib" zu und übergibt ihm zugleich den
abgenommenen Kranz, wobei sie mahnend die Worte spricht:
„I übergib' da dein Wei', Halt's frenndli' in Ehr'n,
Seids friedli' und ehrli', daß's glückli' mögts wer'n.
Führts beid' mitanander a christliches Leb'n,
Es kann für eng Zwoa ja nix Vessers nit geb'n."
Im genannten Gebiete treten erst nach dem „Kranzlabtanzen" die „Maskerer" und
die „Moasenschützen"* auf. Die Letzteren sind Schmarozer, welche bei keiner Hochzeit
fehlen und verschiedene Namen führen. Im V. O. M. B. heißen sie gewöhnlich „Maurer",
* Ter Ausdruck „die Mais" bedeutet in der älteren Sprache ein Gestell zum Tragen ans dem Rncken.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317