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Zahlreich sind die Meinungen, welche sich an den Tod, an die armen Seelen, an das
Erscheinen von Todten n. s. w. knüpfen. Ein Verwandter oder guter Freund „meldet"
sich nicht selten im Augenblicke des Todes „an" („Anmeldung", „Anmahnnng"). Da geht
z. B. plötzlich die Stubenthür auf und Niemand überschreitet die Schwelle; man hört
klopfen („pemperlu", „tammerln"); Gegenstände fallen ohne begreifliche Ursache von der
Wand; eine klagende Stimme tönt durch das ganze Haus; man vernimmt in einem
Gemache deutlich Schritte, und doch
ist Niemand zu entdecken; beim
Todtengräber wirft es Nachts Bretter
und Grabwerkzeuge polternd durch-
einander; eine schwarze Gestalt huscht
um das Haus und dergleichen mehr.
Verstorbenen soll man nicht allzu
heftig und lange „nachweinen". „Geht
dem Todten etwas ab" oder hat er
fremdes Gut im Leben nicht zurück-
gestellt, so hat er nach dem Tode keine
Ruhe, er muß „umgehen". In der
Nacht erscheint er einem Verwandten
oder guten Freunde und sagt, was
ihm fehle, bezeichnet auch den Ort,
wo das ungerechte Gut zu finden sei.
Betet man für ihn und thut man das
Geheißene, so erscheint der Todte
zuweilen wiederholt, aber immer
„weißer" und zuletzt flattert die
Seele auch wohl als weiße Taube
zum Himmel auf, nachdem sie sich für
die Erlösung „bedankt" hat. Die Nacht gehört den Geistern. Sie gehen besonders vom Ave
Maria-Länten des Abeuds bis zum uämlicheu Glockenzeichen des Morgens herum. In
vielen Gegenden meint man, die Geister können Einem nur bis unter die Dachtraufen
folgen, weil» sie auf „freier Weit" draußeu sich geuaht und etwa unsichtbar auf einen
Wagen gesetzt haben. Wenn ein Messer mit der Schneide nach aufwärts liegt, so muß eine
arme Seele darauf „reiten"; eine solche leidet auch, wenn man Thüren und „Gatter"
stark zuschlägt. So lange um die Hinterlassenschaft eines Verstorbenen gestritten wird,
kann dieser uicht Ruhe finde«. Wenn das Feuer singt, liegt eine arme Seele in der Pein:
IL*
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317