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Vergröberung vder Ähnliches vorliegt. Man sehe neben altein i' brich', i' gib', i' nun, anch
i' kinl', du kimst, er kimt, mir kema', aber i bi keina' neben i' bi kuma'; i' kum' ist Ver-
gröberuug — aber g'unma', kuma' (mittelhochdeutsch geunmeu, gekumeu) kau« ebensogut
Nachklang der alten Formen als Neubildung sein. Zur Entscheidung ist es nothwendig,
die Formen durch die Urkunden aller Jahrhunderte hindurch zu verfolgen, wo sich dann
allerdings die u-Formen als moderne Bildungen erweisen. Einige Verba sind im Gebrauche
zu Partikeln eingeschrumpft, au deueu die Mundart sonst überreich ist; so neben gelt' und
dem namentlich dem Obderennser geläufigen ge (gemma" ge ge? wörtlich: gehen wir geh'
gehen?) das viel berufene ha°lt. Zunächst sei festgestellt, daß jenes angebliche „Halter",
das norddeutsche Autoren so gern deu Österreicher» in den Mund legen, nicht existirt, es
ist das mißverstandene, häufig zu hörende ha°lt a' oder ha°lt ä (halt auch, halt ein).
Wir hätten endlich noch der Wortbildung zu gedenken; ein Blick auf Schweilers
Tausende von Voeabeln umfassendes Dialeetwörterbnch zeigt uns deu Reichthum unseres
Stammes. Charakteristische Bildungen, markante Worte, treffende Composita zeitigt die
Mundart in Hülle und Fülle. Man nehme die Adjectiva für menschliche Eigenschaften
und man wird staunen über den Reichthum und die Anschaulichkeit der Mundart: wie
drastisch sind Ausdrücke wie auschiach, mnddelsauba', riglsam (rührig, regsam), kl van
boanlet (kleiubeinig), tramhappet (traumhäppig), ohaxet (säbelbeinig, Füße wie ein o)
und viele andere. Wie treffend und harmlos dabei zeigt sich der Volkswitz, wenn er die
Stammesgenossen nnd Nachbarn mit Namen neuut, denen Jahrhunderte die Weihe
gegeben: die Obderennser neuut der Niederösterreicher von ihrem Lieblingsgetränke, dem
Most, die Mostschädel und die Steirer nach Tracht und Schritt die Kniebohrer;
die Bewohner der Bergthäler des Wienerwaldes, die Pech aus der Kienföhre gewinnen,
heißen davon die „Keaufirenen", wogegen sie die Hauer des ebenen Vorlandes, die
nackten Beines den Weinberg bebauen, als „Brannhaxen" verspotten.
Die reiche Phantasie des Volkes, die aus seinem Wortschatze spricht, hat sich seit
Menschengedenken auch im Liede Bahn gebrochen: doch die eigentliche Stätte des Volks-
gesanges, des Schnadahüpfls (Schnatterhüpflein, Tänzchen zum Worte) ist das Bergland,
das nach Niederösterreich nur seine Ausläufer entsendet. Und so hat dasselbe — abgesehen
von der Hauptstadt, wo das volksthümliche Schauspiel seine Blüte erreicht hat — auch
verhältnißmäßig geringeren Antheil an der Dialectdichtnng als die Nachbarlandschaften.
Castelli war einer der ersten, der neben Untersuchungen über die Mundart auch
Versuche in mundartlicher Dichtung anstellte. Ihm folgte I. N. Vogl, A. Baumann,
von dem nnr wenig in die Öffentlichkeit gedrungen ist, und Freiherr von Klesheim,
der unter dem Namen des Schwarzblattls vom Wienerwalde eine Anzahl durch übergroße
Empfindsamkeit und Ziererei mitunter minder erquicklicher Dichtungen veröffentlichte. Alle
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317