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© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1/6 a, A-1080 Wien
https://doi.org/10.7767/9783205212355 | CC BY 4.0
3. Anthologien 1933–1945
Rondo furioso ausvertont haben würde. Denken Sie sich, ich war schon einmal drauf und
dran, an Reichsleiter Rosenberg, an Minister Dr.
Goebbels in der Sache zu schreiben und
einen dieser Schirmgötter um Schutz des Schriftstellers vor Anthologisten, Almanachisten
und überhaupt Querschnittfabrikanten anzuflehen. Ich als einer für uns alle.
Es gibt natürlich unter uns auch Könner und Künstler, die sind die typischen Quer-
schnittlieferanten für alle solche Suppen; zum Beispiel Strobl, ein Mordskerl, der aber
bei seiner Allgefälligkeit mit seinem großen Talent nicht richtig gewuchert. Ich gehöre
leider nicht zu denen mit jederzeitigem Vorrat. Und wenn ich schon eine almanachisti-
sche Kurznovelle schreiben müßte, dann über den Dichter, der vor lauter Anthologismen,
Behörde, Aemtern und Post generaliter niemals zu seinem greifbar nahen Lebenswerk
kommt, darüber schwermütig und tiefsinnig wird und sich in Vitriol, giftgrünem, ersäuft.
Seien Sie, sehr geehrter Herr Landesleiter, also nicht böse Ihrem Ihnen mit Deutschem
Gruß
aufrichtig ergebenen
Friedrich von Gagern122
Gagerns virtuos mit Versatzstücken zeitgenössischer Ideologie spielender, unbotmäßiger,
spöttischer Protest dürfte nicht der erste gewesen sein. Nachdem das RMVP ein „Ueber-
handnehmen von Anthologien“123 ausgemacht hatte, wurde ein halbes Jahr später mit der
Bekanntmachung der RSK Nr. 148 vom 12. September 1941124 die bis dahin nur für Ka-
lender, Zeitschriften, Buch- und Schriftenreihen geforderte „Zulassung durch die Reichs-
schrifttumskammer“ auf Anthologien ausgedehnt.125 Der späte Termin dieser Anordnung
könnte zur Annahme verführen, die nationalsozialistischen Kulturfunktionäre hätten die
Bedeutung von Sammelschriften zuvor unterschätzt. Dem ist nicht so: Jede Anthologie in
ihrem Machtbereich musste, bevor sie dem Leser in die Hände gelangen konnte, mehrfa-
che Filter durchlaufen, die durch das Reichskulturkammergesetz definiert waren, welches
die Überprüfung aller an der Buchproduktion beteiligten Personen (Herausgeber, Verleger,
Distributoren und Autoren) im Zuge des pflichtigen Aufnahmeverfahrens in die Kammer
regelte.126
In Folge der Aufhebung der Grundfreiheiten und der neuen Unterordnung des litera-
rischen Lebens unter das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP)
122 Schreiben an P. A. Keller v. 7.3.1941 (StLB, Nachlass Paul Anton Keller); Anspielungen auf die Jahrbücher
Die Deutsche Glocke (1939–44) und das Periodikum Ewiges Deutschland (1939–42), auf den RSK-
Landesleiter von Wien, Karl Hans Strobl, und die bereits 1937 begonnene Papierkontingentierung.
123 Telegramm des RMVP an das RPA Wien, 5.4.1941 (ÖStA/AdR 04 RStH Wien Korr. Gf. Kaufmann
„
Presse“, K.26, O.83.).
124 Börsenblatt 3.7.1943
– DDS 8.1943. H.5, 56.
125 Vgl. Handbuch-RSK42, 148
f.
– RKKRecht43, Bd.
2, RSK I, 20.
126 Einführung in Deutschland ab 22.9.1933, in Österreich ab dem 11.6.1938.
Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
Band 5 der Reihe Literatur in Österreich 1938–1945
- Titel
- Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
- Untertitel
- Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
- Autor
- Uwe Baur
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21235-5
- Abmessungen
- 17.3 x 24.4 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Das Gesamtwerk 9
- Vorbemerkung zu diesem Band 13
- 1. Zensur und Förderung 15
- Einleitung 15
- Österreichische Listen 1933–1938 17
- Einleitung 17
- Der Bücherbrief (1932) 24
- Die Wegtafel (Mai 1933) 25
- Die deutsche Dichtung Österreichs (9.6.1933) 25
- Die Säuberung des deutschen Buchwesens vom jüdischen Geiste im Deutschen Reiche und wir Österreicher (Juni 1933) 26
- Dichterbuch (1933) 27
- Indizierungslisten Österreichs 1933–1938 28
- Liste der zu fördernden bzw. der abzulehnenden Schriftsteller (1935) 30
- Gegenwartsdichtung in Österreich (1935) 32
- Geist und Macht (1938) 33
- Österreich. Ein Bücherverzeichnis (1938) 34
- Deutsche Listen 1933–1945 35
- a. Verbotslisten 35
- b. Zentrale Empfehlungslisten 50
- Schriftsteller-Verzeichnis der Reichsschrifttumskammer (1942) 50
- Nationalsozialistische Bibliographie der Parteiamtlichen Prüfungskommission (1936–1943) 54
- Jahres-Gutachten-Anzeiger des Amtes Rosenberg (1936–1944) 56
- Kataloge zur „Woche des deutschen Buches“ des RMVP (1936–1942) 62
- Gottbegnadeten-Liste 65
- c. Spartenbezogene Empfehlungslisten 68
- 1. Jugendschriften-Verzeichnisse 68
- Einleitung 68
- Das Jugendbuch im Dritten Reich (1933) 69
- Das Buch der Jugend (1934–1942) 70
- Das Buch der deutschen Jugend (1939/40) –
- Das deutsche Jugendbuch (1940/41) 74
- 2. Vorschlagslisten für Dichterlesungen 76
- 3. Empfehlungslisten für Leihbüchereien und Buchhandlungen 79
- 4. Sonstige 84
- Das deutsche Bauernschrifttum in der deutschen Dichtung (Amt Rosenberg 1933) 84
- Einladungsliste für kulturelle Veranstaltungen und Empfänge (RPA Wien, Juni 1940) 85
- Geburtstagsbücher für den Führer (Amt Rosenberg 1943) 85
- Entnazifizierung 87
- Österreich 87
- Liste der gesperrten Autoren und Bücher (1946)/Nachträge 87
- Deutschland 90
- Liste der auszusondernden Literatur/Nachträge (1946–1953) 90
- 2. Vereine im literarischen Feld Österreichs 1933–1945 95
- Einleitung 95
- Literarische Gruppenbildungen nach dem liberalen Vereinsgesetz bis 1938 96
- Literarische Vereine im totalitären „Ständestaat“ 99
- Landeskulturamt der NSDAP-Landesleitung Österreich (1933–11.7.1938) 100
- Vereine im Nationalsozialismus ab März 1938 105
- Chronologie der literarischen Gesellschaften und Autorengruppen in Österreich zwischen 1933 und 1945 113
- Literarische Gesellschaften und Autorengruppen A–Z 119
- 3. Anthologien 1933–1945 271