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https://doi.org/10.7767/9783205212355 | CC BY 4.0
3. Anthologien 1933–1945
aus der Zeit der ersten Auflage von 1929 und skizziert seine fundamentale Bekehrung zum
Nationalsozialisten. Ernst Volkmann, der Herausgeber der bedeutenden Sammlung Deut-
sche Dichtung im Weltkrieg (1934) konfrontiert sich auch mit sozialistischen und jüdischen
Autoren, diskutiert und kritisiert werden in seiner ausführlichen Einleitung der Expressio-
nismus und die Anti-Kriegsliteratur, welche „unser Vaterland an den Rand des Verderbens“
gebracht habe (48).142
Der öffentlichen Durchsetzung propagandistischer Inhalte dienten einerseits repräsenta-
tive Großveranstaltungen (Reichstheaterwoche, Weimarer Dichtertreffen, Buchausstellun-
gen, Berliner Dichterwoche, Dichterfahrten der RKK in neue Territorien des Deutschen
Reiches, Salzburger Festspiele, Raimund-Feier, Mozartwoche, Rosegger-Jahr usw.), die z. T.
in Anthologien ihren Niederschlag fanden. Andererseits erschienen unzählige
– hier nur pa-
radigmatisch aufgenommene
– Anleitungen zur Gestaltung von Feiern aller Organisationen
der NSDAP bis hin zu jenen privaten in der Familie (Geburt, Weihnacht etc., darauf spezi-
alisiert war das Amt Feierabend der KdF).143 Speziell die Reichsjugendführung stand hinter
einer Reihe von pädagogisch konzipierten, an die Jugend gerichteten Sammelschriften und
die vom Reichserziehungsministerium betriebene Reform des Deutschunterrichts im Sinne
der von jeden ästhetisch-individualistisch Restbeständen befreiten Deutschkunde144 funk-
tionalisierte das Lesebuch und den Lektürekanon im Rahmen der neuen politischen Ziele.
Eine weitere propagandistisch wichtige Gruppe von Anthologien erschien zu Ehren von
politischen und literarischen Leitfiguren der Gegenwart: der „Führer“ Adolf Hitler in un-
zähligen Versionen, der kulturelle Vorkämpfer Hermann Graedener (1938) und der „gott-
begnadete“ Bruno Brehm (1942);145 toleriert wurden aber
– noch vor Kriegsbeginn
– auch
jene für Rudolf Alexander Schroeder (Werke und Tage, 1938) und Artur Kutscher (Für A.
K.,
1938). Im weiteren Sinne zählen auch die durch Literaturpreise ausgezeichneten Personen
zu Leitfiguren, einige Sammelbände präsentieren die prämierten Texte (Das Hilf mit!-Buch
1, 2
– Die Preiserzählung
– Im Kranz der Berge
– Begegnung und Heimkehr).
Eine repräsentative Spitzenstellung auf regionaler Ebene war den Gau-Anthologien zu-
gedacht, speziell nötig in jenen politischen Einheiten, die neu geschaffen oder territorial
stark verändert wurden: Im Besonderen betroffen waren die bayerische Ostmark bzw. Gau
Bayreuth, das Sudetenland und die sieben neuen von Wien abgetrennten Reichsgaue Ös-
terreichs.
Anthologien sind als Gefäß für kurze literarische Formen und Textausschnitte belieb-
ter Ort für Reflexionen über deren Gattungsmuster, insbesondere die Ballade und die hel-
142 Herbert Cysarz setzt sich in der nicht aufgenommenen sudetendeutschen Anthologie Wir tragen ein Licht
(hg. Franz Höller. München 1934) mit der jüdischen Kultur Prags um Franz Kafka auseinander.
143 Vgl. die in der Hanseatischen Verlagsanstalt in Hamburg erscheinende Reihe Feste und Feiern deutscher Art
(1926–1944).
144 Vgl. Hopster/Nassen83, 24.
145 Sonderfall: Bereits 1935 erschien während des autoritären „Ständestaats“ die Festschrift für den später als
„gottbegnadet“ eingestuften Josef Weinheber.
Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
Band 5 der Reihe Literatur in Österreich 1938–1945
- Titel
- Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
- Untertitel
- Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
- Autor
- Uwe Baur
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21235-5
- Abmessungen
- 17.3 x 24.4 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Das Gesamtwerk 9
- Vorbemerkung zu diesem Band 13
- 1. Zensur und Förderung 15
- Einleitung 15
- Österreichische Listen 1933–1938 17
- Einleitung 17
- Der Bücherbrief (1932) 24
- Die Wegtafel (Mai 1933) 25
- Die deutsche Dichtung Österreichs (9.6.1933) 25
- Die Säuberung des deutschen Buchwesens vom jüdischen Geiste im Deutschen Reiche und wir Österreicher (Juni 1933) 26
- Dichterbuch (1933) 27
- Indizierungslisten Österreichs 1933–1938 28
- Liste der zu fördernden bzw. der abzulehnenden Schriftsteller (1935) 30
- Gegenwartsdichtung in Österreich (1935) 32
- Geist und Macht (1938) 33
- Österreich. Ein Bücherverzeichnis (1938) 34
- Deutsche Listen 1933–1945 35
- a. Verbotslisten 35
- b. Zentrale Empfehlungslisten 50
- Schriftsteller-Verzeichnis der Reichsschrifttumskammer (1942) 50
- Nationalsozialistische Bibliographie der Parteiamtlichen Prüfungskommission (1936–1943) 54
- Jahres-Gutachten-Anzeiger des Amtes Rosenberg (1936–1944) 56
- Kataloge zur „Woche des deutschen Buches“ des RMVP (1936–1942) 62
- Gottbegnadeten-Liste 65
- c. Spartenbezogene Empfehlungslisten 68
- 1. Jugendschriften-Verzeichnisse 68
- Einleitung 68
- Das Jugendbuch im Dritten Reich (1933) 69
- Das Buch der Jugend (1934–1942) 70
- Das Buch der deutschen Jugend (1939/40) –
- Das deutsche Jugendbuch (1940/41) 74
- 2. Vorschlagslisten für Dichterlesungen 76
- 3. Empfehlungslisten für Leihbüchereien und Buchhandlungen 79
- 4. Sonstige 84
- Das deutsche Bauernschrifttum in der deutschen Dichtung (Amt Rosenberg 1933) 84
- Einladungsliste für kulturelle Veranstaltungen und Empfänge (RPA Wien, Juni 1940) 85
- Geburtstagsbücher für den Führer (Amt Rosenberg 1943) 85
- Entnazifizierung 87
- Österreich 87
- Liste der gesperrten Autoren und Bücher (1946)/Nachträge 87
- Deutschland 90
- Liste der auszusondernden Literatur/Nachträge (1946–1953) 90
- 2. Vereine im literarischen Feld Österreichs 1933–1945 95
- Einleitung 95
- Literarische Gruppenbildungen nach dem liberalen Vereinsgesetz bis 1938 96
- Literarische Vereine im totalitären „Ständestaat“ 99
- Landeskulturamt der NSDAP-Landesleitung Österreich (1933–11.7.1938) 100
- Vereine im Nationalsozialismus ab März 1938 105
- Chronologie der literarischen Gesellschaften und Autorengruppen in Österreich zwischen 1933 und 1945 113
- Literarische Gesellschaften und Autorengruppen A–Z 119
- 3. Anthologien 1933–1945 271