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Radetzkymarsch
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Er las keine Bücher, der Hauptmann Trotta, und bemitleidete im stillen seinen heranwachsenden Sohn, der anfangen mußte, mit Griffel, Tafel und Schwamm, Papier, Lineal und Einmaleins zu hantieren, und auf den die unvermeidlichen Lesebücher bereits warteten. Noch war der Hauptmann überzeugt, daß auch sein Sohn Soldat werden müsse. Es fiel ihm nicht ein, daß (von nun bis zum Erlöschen des Geschlechts) ein Trotta einen andern Beruf würde ausüben können. Wenn er zwei, drei, vier Söhne gehabt hätte – aber seine Frau war schwächlich, brauchte Arzt und Kuren, und Schwangerschaft brachte sie in Gefahr –, alle wären sie Soldaten geworden. So dachte damals noch der Hauptmann Trotta. Man sprach von einem neuen Krieg, er war jeden Tag bereit. Ja, es schien ihm fast gewiß, daß er ausersehen war, in der Schlacht zu sterben. Seine solide Einfalt hielt den Tod im Feld für eine notwendige Folge kriegerischen Ruhms. Bis er eines Tages das erste Lesebuch seines Sohnes, der gerade fünf Jahre alt geworden war und den ein Hauslehrer schon, dank dem Ehrgeiz der Mutter, die Nöte der Schule viel zu früh schmecken ließ, mit lässiger Neugier in die Hand nahm. Er las das gereimte Morgengebet, es war seit Jahrzehnten das gleiche, er erinnerte sich noch daran. Er las die »Vier Jahreszeiten«, den »Fuchs und den Hasen«, den »König der Tiere«. Er schlug das Inhaltsverzeichnis auf und fand den Titel eines Lesestückes, das ihn selbst zu betreffen schien, denn es hieß: »Franz Joseph der Erste in der Schlacht bei Solferino«; las und mußte sich setzen. »In der Schlacht bei Solferino« – so begann der Abschnitt – »geriet unser Kaiser und König Franz Joseph der Erste in große Gefahr.« Trotta selbst kam darin vor. Aber in welcher Verwandlung! »Der Monarch« – hieß es – »hatte sich im Eifer des Gefechts so weit vorgewagt, daß er sich plötzlich von feindlichen Reitern umdrängt sah. In diesem Augenblick der höchsten Not sprengte ein blutjunger Leutnant auf schweißbedecktem Fuchs herbei, den Säbel schwingend. Hei! wie fielen da die Hiebe auf Kopf und Nacken der feindlichen Reiter!« Und ferner: »Eine feindliche Lanze durchbohrte die Brust des jungen Helden, aber die Mehrzahl der Feinde war bereits erschlagen. Den blanken Degen in der Hand, konnte sich der junge, unerschrockene Monarch leicht der immer schwächer werdenden Angriffe erwehren. Damals geriet die ganze feindliche Reiterei in Gefangenschaft. Der junge Leutnant aber – Joseph Ritter von Trotta war sein Name – bekam die höchste Auszeichnung, die unser Vaterland seinen Heldensöhnen zu vergeben hat: den Maria-Theresien-Orden.« Hauptmann Trotta ging, das Lesebuch in der Hand, in den kleinen Obstgarten hinter das Haus, wo sich seine Frau an linderen Nachmittagen beschäftigte, und fragte sie, die Lippen blaß, mit ganz leiser Stimme, ob ihr das infame Lesestück bekannt gewesen sei. Sie nickte lächelnd. »Es ist eine Lüge!« schrie der Hauptmann und schleuderte das Buch auf die feuchte Erde. 10
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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