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Radetzkymarsch
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Manchmal glaubte er, in sich das Blut seiner Ahnen zu fühlen: Sie waren keine Reiter gewesen. Die kämmende Egge in den harten Händen, hatten sie Schritt vor Schritt auf die Erde gesetzt. Sie stießen den furchenden Pflug in die saftigen Schollen des Ackers und gingen mit geknickten Knien hinter dem wuchtigen Zweigespann der Ochsen einher. Mit Weidenruten trieben sie die Tiere an, nicht mit Sporen und Peitsche. Die geschliffene Sense schwangen sie im hocherhobenen Arm wie einen Blitz, und sie mähten den Segen, den sie selbst gesät hatten. Der Vater des Großvaters noch war ein Bauer gewesen. Sipolje war der Name des Dorfes, aus dem sie stammten. Sipolje: Das Wort hatte eine alte Bedeutung. Auch den heutigen Slowenen war es kaum mehr bekannt. Carl Joseph aber glaubte, es zu kennen, das Dorf. Er sah es, wenn er an das Porträt seines Großvaters dachte, das verdämmernd unter dem Suffit des Herrenzimmers hing. Eingebettet lag es zwischen unbekannten Bergen, unter dem goldenen Glanz einer unbekannten Sonne, mit armseligen Hütten aus Lehm und Stroh. Ein schönes Dorf, ein gutes Dorf! Man hätte seine Offizierskarriere darum gegeben! Ach, man war kein Bauer, man war Baron und Leutnant bei den Ulanen! Man hatte kein eigenes Zimmer in der Stadt wie die andern. Carl Joseph wohnte in der Kaserne. Das Fenster seines Zimmers führte in den Hof. Gegenüber lagen die Mannschaftsstuben. Immer, wenn er in die Kaserne am Nachmittag heimkehrte und das große, doppelflügelige Tor sich hinter ihm schloß, hatte er die Empfindung, gefangen zu sein; niemals mehr würde es sich vor ihm auftun. Seine Sporen klirrten frostig auf der kahlen, steinernen Stiege, und der Tritt seiner Stiefel widerhallte auf dem hölzernen, braunen, geteerten Boden des Korridors Die weißen, gekalkten Wände hielten das Licht des schwindenden Tages noch ein wenig gefangen und strahlten es jetzt wider, als achteten sie in ihrer kahlen Sparsamkeit noch darauf, daß die ärarischen Petroleumlampen in den Winkeln nicht früher entzündet würden, als bis der Abend vollständig eingebrochen wäre; als hätten sie zu rechter Zeit den Tag gesammelt, um ihn in der Not der Dunkelheit auszugeben. Er machte kein Licht, Carl Joseph. Die Stirn an das Fenster gepreßt, das ihn von der Finsternis scheinbar trennte und in Wirklichkeit wie die vertraute, kühle Außenwand der Finsternis selber war, sah er in die gelblich beleuchtete Traulichkeit der Mannschaftsstuben. Er hätte gern mit einem von den Männern getauscht. Dort saßen sie, halb ausgezogen, in den groben, gelblichen, ärarischen Hemden, ließen die nackten Füße über die Ränder ihrer Schlaffächer baumeln, sangen, sprachen und spielten Mundharmonika. Um diese Tageszeit – der Herbst war schon lange vorgerückt –, eine Stunde nach dem Befehl, anderthalb Stunden vor dem Zapfenstreich, glich die ganze Kaserne einem riesengroßen Schiff. Und es war Carl Joseph auch, als schaukelte sie leise und als bewegten sich die kümmerlichen, gelben 54
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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