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Radetzkymarsch
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›Ich tät’ lieber zu Haus sitzen und aufpassen!‹ sagt der Tattenbach und hält sich am Sessel fest. Es war übrigens sein Namenstag. Hab’ ich euch’s schon gesagt?« »Nein!« riefen alle. »Also, nun wißt ihr’s: Sein Namenstag war’s grad!« wiederholte Taittinger. Diese Neuigkeit schlürften alle mit gierigen Sinnen. Es war, als könnte sich aus der Tatsache, daß Tattenbach Namenstag gehabt hatte, eine ganz neue, günstige Lösung der traurigen Affäre ergeben. Jeder überlegte für sich, welcher Nutzen aus dem Namenstag Tattenbachs zu ziehen wäre. Und der kleine Sternberg, durch dessen Gehirn die Gedanken einzeln dahinzuschießen pflegten wie einsame Vögel durch leere Wolken, ohne Geschwister und ohne Spur, äußerte sofort, vorzeitigen Jubel in der Stimme: »Aber, dann ist ja alles gut! Situation total verändert! Namenstag hat er halt gehabt!« Sie sahen zum kleinen Grafen Sternberg hin, verblüfft und trostlos und dennoch bereit, nach dem Unsinn zu greifen. Es war äußerst töricht, was der Sternberg da von sich gab, aber wenn man genau überlegte, konnte man sich nicht daran halten, war da nicht eine Hoffnung, winkte da kein Trost? Das hohle Gelächter, das Taittinger gleich darauf ausstieß, überschüttete sie mit neuem Schrecken. Die Lippen halb geöffnet, hilflose Laute auf den stummen Zungen, die Augen aufgerissen und ohne Blick, blieben sie still, Verstummte und Geblendete, die einen Augenblick lang geglaubt hatten, einen trostreichen Klang zu vernehmen, einen tröstlichen Schimmer zu erblicken. Taub und finster war es rings um sie. In der ganzen großen, stummen, tief verschneiten winterlichen Welt gab es nichts anderes mehr als die fünfmal schon wiederholte, ewig unveränderliche Erzählung Taittingers. Er fuhr fort: »Also, ›ich tät lieber zu Haus sitzen und aufpassen‹, sagt der Tattenbach. Und der Doktor, wißt ihr, wie bei der Marodenvisit’ und als ob der Tattenbach krank wär’, streckt den Kopf gegen den Tattenbach vor und sagt: ›Herr Rittmeister, Sie sind besoffen!‹ – ›Ich tät lieber auf meine Frau aufpassen‹, lallt der Tattenbach weiter. ›Unsereins läßt seine Frau nicht um Mitternacht mit Leutnants spazieren!‹ – ›Sie sind besoffen und ein Schuft!‹ sagt der Demant. Und wie ich aufstehn will und eh’ ich mich noch rühren kann, fängt der Tattenbach an, wie verrückt zu rufen: ›Jud, Jud, Jud!‹ Achtmal sagt er’s hintereinander, ich hab’ noch die Geistesgegenwart gehabt, genau zu zählen.« »Bravo!« sagte der kleine Sternberg, und Taittinger nickte ihm zu. »Ich hab’ aber auch«, fuhr der Rittmeister fort, »die Geistesgegenwart, zu kommandieren: ›Ordonnanzen abtreten!‹ Denn was sollten die Burschen dabei?« 84
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Ă–sterreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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