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Radetzkymarsch
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der Nachtwind zerblies den Schnee zu Staub, die Sporen Trottas klirrten sacht, die Sohlen des Doktors knirschten daneben. Sie gingen schnell, als hätten sie ein bestimmtes Ziel. In ihren Köpfen jagten Fetzen von Vorstellungen einher, von Gedanken, von Bildern. Wie schwere und flinke Hämmer klopften ihre Herzen. Ohne es zu wissen, gab der Regimentsarzt die Richtung an, ohne es zu wissen, folgte ihm der Leutnant. Sie näherten sich dem Hotel zum goldenen Bären. Sie standen vor dem gewölbten Tor des Gasthauses. In der Vorstellung Carl Josephs erwachte das Bild vom Großvater Demants, dem silberbärtigen König unter den jüdischen Schankwirten. Vor solch einem Tor, einem viel größeren wahrscheinlich, saß er zeit seines Lebens. Er stand auf, wenn die Bauern anhielten. Weil er nicht mehr hörte, schrien die kleinen Bauern durch die gehöhlten Hände vor den Mündern ihre Wünsche zu ihm empor. Sieben Uhr zwanzig, sieben Uhr zwanzig, klang es wieder. Sieben Uhr zwanzig war der Enkel dieses Großvaters tot. »Tot!« sagte der Leutnant laut. Oh, er war nicht mehr klug, der kluge Doktor Demant! Er war vergeblich frei und mutig gewesen, ein paar Tage; es zeigte sich jetzt, daß er nicht Schluß gemacht hatte. Man wurde nicht leicht fertig! Sein kluger Kopf, ererbt von einer langen, langen Reihe kluger Väter, wußte ebensowenig Rat wie der einfache Kopf des Leutnants, dessen Ahnen die einfachen Bauern von Sipolje gewesen waren. Ein stupides, eisernes Gesetz ließ keinen Ausweg frei. »Ich bin ein Dummkopf, mein lieber Freund!« sagte der Doktor. »Ich hätte mich von Eva längst trennen müssen. Ich habe keine Kraft, diesem blöden Duell zu entrinnen. Ich werde aus Blödheit ein Held sein, nach Ehrenkodex und Dienstreglement. Ein Held!« Er lachte. Es schallte durch die Nacht. »Ein Held!« wiederholte er und stapfte hin und zurück vor dem Tor des Gasthofes. Durch das junge, trostbereite Hirn des Leutnants schoß blitzschnell eine kindische Hoffnung; sie werden nicht aufeinander schießen und sich versöhnen! Alles wird gut sein! Man wird sie zu andern Regimentern transferieren! Mich auch! Töricht, lächerlich, unmöglich! dachte er gleich darauf. Und verloren, verzweifelt, mit schalem Kopf, trockenem Gaumen, zentnerschweren Gliedern stand er regungslos vor dem hin und her wandelnden Doktor. Wie spät war es schon? – Er wagte nicht, auf die Uhr zu sehn. Bald mußte es ja vom Turm schlagen. Er wollte warten. »Wenn wir uns nicht wiedersehn sollten«, sagte der Doktor, hielt ein und sagte ein paar Sekunden später: »Ich rate dir, verlaß diese Armee!« Dann streckte er die Hand aus: »Leb wohl! Geh heim! Ich werde allein fertig! Servus!« Er zog am Glockendraht. Man hörte aus dem Innern das dröhnende Klingeln. Schon näherten sich Schritte. Man schloß auf. Leutnant Trotta ergriff die Hand des Doktors. Mit einer 96
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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