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»Ich verstehe nichts von Politik!« sagte Trotta.
Knopfmacher fühlte Unwillen im Herzen. Er grollte dieser blöden Armee
und ihren hirnverbrannten Einrichtungen. Sein Kind war jetzt Witwe, der
Schwiegersohn tot, man mußte einen neuen suchen, Zivil diesmal, und der
Kommerzialrat war ebenfalls vielleicht hinausgeschoben. Es war höchste
Zeit, daß man mit diesem Unfug aufräumte. So junge Taugenichtse wie die
Leutnants durften im zwanzigsten Jahrhundert nicht übermütig werden. Die
Nationen wollten ihre Rechte, Bürger ist Bürger, keine Privilegien mehr für
den Adel; die Sozialdemokratie war ja gefährlich, aber ein gutes
Gegengewicht. Vom Krieg redet man fortwährend, aber er kommt gewiß
nicht. Man wird ihnen schon zeigen. Die Zeiten sind aufgeklärt. In England
zum Beispiel hatte der König nichts zu sagen.
»Natürlich!« sagte er. »In der Armee ist ja auch Politik nicht angebracht.
Er« – Knopfmacher wies nach dem Porträt – »hat allerdings manches davon
verstanden.«
»Er war sehr klug!« sagte Trotta leise.
»Es war nix mehr zu machen!« wiederholte Knopfmacher.
»Er war vielleicht«, sagte der Leutnant, und ihm selbst schien es, daß aus
ihm eine fremde Weisheit sprach, eine aus den alten, großen Büchern des
silberbärtigen Königs unter den Schankwirten, »er war vielleicht sehr klug
und ganz allein!«
Er wurde blaß. Er fühlte die blanken Blicke der Frau Demant. Er mußte
jetzt gehen. Es wurde sehr still. Es war nichts mehr zu sagen.
»Auch den Baron Trotta werden wir nicht mehr wiedersehn, Papa! Er wird
transferiert!« sagte Frau Demant.
»Aber ein Lebenszeichen?« fragte Knopfmacher.
»Sie werden mir schreiben!« sagte Frau Demant.
Der Leutnant stand auf. »Alles Gute!« sagte Knopfmacher. Seine Hand war
groß und weich, wie warmen Sammet fühlte man sie. Frau Demant ging
voraus. Der Bursche kam, hielt den Mantel. Frau Demant stand daneben.
Trotta schlug die Hacken zusammen. Sehr schnell sagte sie: »Sie schreiben
mir! Ich will wissen, wo Sie bleiben.« Es war ein hurtiger, warmer Lufthauch,
schon verweht. Schon öffnete der Bursche die Tür. Da lagen die Stufen. Nun
erhob sich das Gitter; wie damals, als er den Wachtmeister verlassen hatte.
Er ging schnell zur Stadt, trat ins erste Kaffeehaus, das auf seinem Weg lag,
trank stehend, am Büfett, einen Cognac, noch einen. »Wir trinken nur
Hennessy!« hörte er den Bezirkshauptmann sagen. Er hastete der Kaserne zu.
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik