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Radetzkymarsch
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Verlangen der Militärbehörde dem Sumpf der Wege geopfert wurden. Alle Steine, Millionen von Steinen, verschluckte der unersättliche Grund der Straße. Und immer neue, siegreiche, silbergraue, schimmernde Schichten von Schlamm quollen aus den Tiefen empor, fraßen den Stein und den Mörtel und schlugen klatschend über den stampfenden Stiefeln der Soldaten zusammen. Die Kaserne lag hinter dem Stadtpark. Links neben der Kaserne war das Bezirksgericht, ihr gegenüber die Bezirkshauptmannschaft, hinter deren festlichem und baufälligem Gemäuer lagen zwei Kirchen, eine römische, eine griechische, und rechts ab von der Kaserne erhob sich das Gymnasium. Die Stadt war so winzig, daß man sie in zwanzig Minuten durchmessen konnte. Ihre wichtigen Gebäude drängten sich aneinander in lästiger Nachbarschaft. Wie Gefangene in einem Kerkerhof kreisten die Spaziergänger am Abend um das regelmäßige Rund des Parkes. Eine gute halbe Stunde Marsch brauchte man bis zum Bahnhof. Die Messe der Jägeroffiziere war in zwei kleinen Stuben eines Privathauses untergebracht. Die meisten Kameraden aßen im Bahnhofsrestaurant. Carl Joseph auch. Er marschierte gern durch den klatschenden Kot, nur um einen Bahnhof zu sehen. Es war der letzte aller Bahnhöfe der Monarchie, aber immerhin: Auch dieser Bahnhof zeigte zwei Paar glitzernder Schienenbänder, die sich ununterbrochen bis in das Innere des Reiches erstreckten. Auch dieser Bahnhof hatte helle, gläserne und fröhliche Signale, in denen ein zartes Echo von heimatlichen Rufen klirrte, und einen unaufhörlich tickenden Morseapparat, auf dem die schönen, verworrenen Stimmen einer weiten, verlorenen Welt fleißig abgehämmert wurden, gesteppt wie von einer emsigen Nähmaschine. Auch dieser Bahnhof hatte einen Portier, und dieser Portier schwang eine dröhnende Glocke, und die Glocke bedeutete Abfahrt, Einsteigen! Einmal täglich, just um die Mittagszeit, schwang der Portier seine Glocke zu dem Zug, der in die westliche Richtung abging, nach Krakau, Oderberg, Wien. Ein guter, lieber Zug! Er hielt beinahe so lange, wie das Essen dauerte, vor den Fenstern des Speisesaals erster Klasse, in dem die Offiziere saßen. Erst wenn der Kaffee kam, pfiff die Lokomotive. Der graue Dampf schlug an die Fenster. Sobald er anfing, in feuchten Perlen und Streifen die Scheiben hinunterzurinnen, war der Zug bereits fort. Man trank den Kaffee und kehrte in langsamem, trostlosem Rudel zurück durch den silbergrauen Schlamm. Selbst die inspizierenden Generäle hüteten sich hierherzukommen. Sie kamen nicht, niemand kam. In dem einzigen Hotel des Städtchens, in dem die meisten Jägeroffiziere als Dauermieter wohnten, stiegen nur zweimal im Jahr die reichen Hopfenhändler ab, aus Nürnberg und Prag und Saaz. Wenn ihre unbegreiflichen Geschäfte gelungen waren, ließen sie Musik kommen und spielten Karten im einzigen Kaffeehaus, das zum Hotel gehörte. Das ganze Städtchen übersah Carl Joseph vom zweiten Stock des Hotels 116
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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