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Radetzkymarsch
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mochten! Unter den Augen der Behörden und der Gendarmerie versammelten sich die Sokoln im Innern des Reiches. Diese Sokoln, die der Bezirkshauptmann für sich »Sokolisten« nannte, wie um aus ihnen, die eine große Gruppe unter den slawischen Völkern darstellten, eine Art kleinerer Partei zu machen, gaben nur vor, Turner zu sein und die Muskeln zu kräftigen. In Wirklichkeit waren sie Spione oder Rebellen, vom Zaren bezahlt. Im »Fremdenblatt« hatte man gestern noch lesen können, daß die deutschen Studenten in Prag die »Wacht am Rhein« gelegentlich singen, diese Hymne der Preußen, der mit Österreich verbündeten Erbfeinde Österreichs. Auf wen konnte man sich da noch verlassen? Den Bezirkshauptmann fröstelte es. Und zum erstenmal, seitdem er in dieser Kanzlei zu arbeiten angefangen hatte, ging er an einem unleugbar warmen Frühlingstag zum Fenster und schloß es. Den Bezirksarzt, der in diesem Augenblick eintrat, fragte Herr von Trotta nach dem Befinden des alten Jacques. Doktor Sribny sagte: »Wenn’s eine Lungenentzündung wird, hält er’s nicht durch. Er ist sehr alt. Er hat jetzt vierzig Fieber. Er hat um den Geistlichen gebeten.« Der Bezirkshauptmann beugte sich über den Tisch. Er fürchtete, Doktor Sribny könnte irgendeine Veränderung in seinem Angesicht wahrnehmen, und er fühlte, daß sich in der Tat irgend etwas in seinem Angesicht zu verändern begann. Er zog die Schublade auf, holte die Zigarren hervor und bot sie dem Doktor an. Er wies stumm auf den Lehnstuhl. Jetzt rauchten beide. »Sie haben also wenig Hoffnung?« fragte Herr von Trotta endlich. »Eigentlich sehr wenig, um die Wahrheit zu sagen!« erwiderte der Doktor. »In diesem Alter–« Er vollendete den Satz nicht und sah den Bezirkshauptmann an, als wollte er erkennen, ob der Herr um vieles jünger sei als der Diener. »Er ist nie krank gewesen!« sagte der Bezirkshauptmann, als wäre das eine Art Milderungsgrund und der Doktor eine Instanz, von der das Leben abhing. »Ja, ja«, sagte der Doktor nur. »Das kommt vor. Wie alt mag er sein?« Der Bezirkshauptmann dachte nach und sagte: »An die achtundsiebzig bis achtzig.« »Ja«, sagte Doktor Sribny, »so hab’ ich ihn auch geschätzt. Das heißt: erst heute. Solang einer herumläuft, denkt man, er wird ewig leben!« Hierauf erhob sich der Bezirksarzt und ging an seine Arbeit. Herr von Trotta schrieb auf einen Zettel: »Ich bin in der Wohnung Jacques’«, legte das Papier unter einen Briefbeschwerer und ging in den Hof. Er war noch niemals in Jacques’ Wohnung gewesen. Sie lag, ein winziges Häuschen mit einem allzu großen Schornstein auf dem Dächlein, an die rückwärtige Hofmauer angebaut. Sie hatte drei Wände aus gelblichen Ziegeln und eine braune Tür in der Mitte. Man betrat zuerst die Küche und dann durch eine Glastür die Wohnstube. Jacques’ zahmer Kanarienvogel stand auf dem 127
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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