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Radetzkymarsch
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auf und lächelte durch das Fenster. Die goldene Nachmittagssonne lag schon auf dem hölzernen Gebälk und spielte hoch oben in den grünen Kronen. Die Mücken tänzelten abendlich und müd, in zarten, runden Schwärmen, und manchmal surrte schwer ein Maikäfer an den Sitzenden vorüber, geradewegs ins Laub und ins Verderben und wahrscheinlich in die offenen Schnäbel der Spatzen. Der Wind ging stärker. Jetzt schwiegen die Vögel. Tiefblau wurde der Ausschnitt des Himmels und rosa die weißen Wölkchen. »Jetzt gehst du ins Bett!« sagte Herr von Trotta zu Jacques. »Ich muß noch das Bild hinauftragen!« murmelte der Alte, ging und holte das Porträt des Helden von Solferino und verschwand im Dunkel der Treppe. Der Wachtmeister sah ihm nach und sagte: »Merkwürdig!« »Ja, recht merkwürdig!« antwortete Herr von Trotta. Jacques kam zurück und näherte sich der Bank. Er setzte sich ohne ein Wort und überraschend zwischen den Bezirkshauptmann und den Wachtmeister, öffnete den Mund, atmete tief, und ehe sich noch beide ihm zugewandt hatten, sank sein alter Nacken auf die Lehne, seine Hände fielen auf den Sitz, sein Pelz öffnete sich, seine Beine streckten sich starr, und die aufwärtsgeschweiften Pantoffelspitzen ragten in die Luft. Der Wind fuhr heftig und kurz durch den Hof. Sachte segelten oben die rötlichen Wölkchen dahin. Die Sonne war hinter der Mauer verschwunden. Der Bezirkshauptmann bettete den silbernen Schädel seines Dieners in seine linke Hand und tastete mit der Rechten nach dem Herzen des Ohnmächtigen. Der Wachtmeister stand erschrocken da, seine schwarze Mütze lag am Boden. Die Barmherzige Schwester kam mit breiten, eiligen Schritten. Sie nahm die Hand des Alten, hielt sie eine Weile zwischen den Fingern, legte sie sanft auf den Pelz und machte das Zeichen des Kreuzes. Sie sah den Wachtmeister still an. Er verstand und griff Jacques unter die Arme. Sie faßte seine Beine. So trugen sie ihn in die kleine Stube, legten ihn auf das Bett, falteten ihm die Hände und umwanden sie mit dem Rosenkranz und stellten ihm das Bild der Mutter Gottes zu Häupten. An seinem Bett knieten sie nieder, und der Bezirkshauptmann betete. Er hatte schon lange nicht mehr gebetet. Aus verschütteten Tiefen seiner Kindheit kam ein Gebet zu ihm wieder, ein Gebet für das Seelenheil toter Anverwandter, und dieses flüsterte er. Er erhob sich, warf einen Blick auf die Hose, fegte den Staub von den Knien und schritt hinaus, gefolgt vom Wachtmeister. »So möcht’ ich einmal sterben, lieber Slama!« sagte er statt des gewöhnlichen »Grüß Gott!« und ging ins Herrenzimmer. Er schrieb die Anordnungen für die Aufbahrung und das Begräbnis seines Dieners auf einen großen Bogen Kanzleipapier, mit allem Bedacht, wie ein 134
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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