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Radetzkymarsch
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Der Leutnant ging in sein Zimmer, öffnete den Schrank und legte in die oberste Lade das Stückchen Wurzel gegen Fieber, neben die Briefe Katharinas und den Säbel Max Demants. Er zog die Taschenuhr des Doktors. Er glaubte, den dünnen Sekundenzeiger hurtiger als je einen andern über das winzige Rund kreisen zu sehn und heftiger das klingende Ticken zu vernehmen. Die Zeiger hatten kein Ziel, das Ticken hatte keinen Sinn. Bald werde ich auch Papas Taschenuhr ticken hören, er wird sie mir vermachen. In meiner Stube wird das Porträt des Helden von Solferino hängen und der Säbel Max Demants und ein Erbstück von Papa. Mit mir wird alles begraben. Ich bin der letzte Trotta! Er war jung genug, um süße Wollust aus seiner Trauer zu schöpfen und aus der Sicherheit, der Letzte zu sein, eine schmerzliche Würde. Von den nahen Sümpfen kam das breite und schmetternde Quaken der Frösche. Die untergehende Sonne rötete Möbel und Wände des Zimmers. Man hörte einen leichten Wagen heranrollen, das weiche Getrapp der Hufe auf der staubigen Straße. Der Wagen hielt, eine strohgelbe Britschka, das sommerliche Vehikel des Grafen Chojnicki. Dreimal unterbrach seine knallende Peitsche den Gesang der Frösche. Er war neugierig, der Graf Chojnicki. Keine andere Leidenschaft als die Neugierde schickte ihn auf Reisen in die weite Welt, fesselte ihn an die Tische der großen Spielsäle, schloß ihn hinter die Türen seines alten Jagdpavillons, setzte ihn auf die Bank der Parlamentarier, gebot ihm jeden Frühling die Heimkehr, ließ ihn seine gewohnten Feste feiern und verstellte ihm den Weg zum Selbstmord. Lediglich die Neugierde erhielt ihn am Leben. Er war unersättlich neugierig. Der Leutnant Trotta hatte ihm erzählt, daß er seinen Vater, den Bezirkshauptmann, erwarte; und obwohl Graf Chojnicki ein gutes Dutzend österreichischer Bezirkshauptleute kannte und zahllose Väter von Leutnants, war er dennoch begierig, den Bezirkshauptmann Trotta kennenzulernen. »Ich bin der Freund Ihres Sohnes«, sagte Chojnicki. »Sie sind mein Gast. Ihr Sohn wird es Ihnen gesagt haben! Ich habe Sie übrigens schon irgendwo gesehn. Sind Sie nicht mit dem Doktor Swoboda im Handelsministerium bekannt?« »Wir sind Schulkollegen!« »Na also!« rief Chojnicki. »Das ist mein guter Freund, der Swoboda. Etwas verteppert mit der Zeit! Aber ein feiner Mann! Gestatten Sie mir, ganz aufrichtig zu sein? – Sie erinnern mich an Franz Joseph.« Es wurde einen Augenblick still. Der Bezirkshauptmann hatte niemals den Namen des Kaisers ausgesprochen. Bei feierlichen Anlässen sagte man: Seine Majestät. Im gewöhnlichen Leben sagte man: der Kaiser. Dieser Chojnicki aber sagte: Franz Joseph, wie er soeben Swoboda gesagt hatte. »Ja, Sie erinnern mich an Franz Joseph«, wiederholte Chojnicki. 139
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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