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Radetzkymarsch
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Mappe unter dem Arm, und es war, als hätte sich die prophetische Gabe des Grafen, die geschichtliche Zukunft zu sehen, auch auf den Bezirkshauptmann übertragen und ihn fähig gemacht, die Zukunft seines Nachkommen zu erkennen. Halb geleert und traurig waren Teller, Terrinen, Flaschen und Gläser. Zauberhaft leuchteten die Lichter in den Röhren ringsum an den Wänden. Zwei alte, backenbärtige Diener, beide dem Kaiser Franz Joseph und dem Bezirkshauptmann ähnlich wie Brüder, begannen, den Tisch abzuräumen. Von Zeit zu Zeit fiel der harte Ruf des Kuckucks wie ein Hammer auf das Zirpen der Grillen. Chojnicki hob eine Flasche hoch. »Den heimischen« – so nannte er den Schnaps – »müssen Sie noch trinken. Es ist nur noch ein Rest!« Und sie tranken den letzten Rest des »Heimischen«. Der Bezirkshauptmann zog seine Uhr, konnte aber den Stand der Zeiger nicht genau erkennen. Es war, als rotierten sie so schnell über den weißen Kreis des Zifferblattes, daß es hundert Zeiger gab statt der regelrechten zwei. Und statt der zwölf Ziffern gab es zwölfmal zwölf! Denn die Ziffern drängten sich aneinander wie sonst nur die Striche der Minuten. Es konnte neun Uhr abends sein oder schon Mitternacht. »Zehn Uhr!« sagte Chojnicki. Die backenbärtigen Diener faßten die Gäste sachte bei den Armen und führten sie hinaus. Die große Kalesche Chojnickis wartete. Der Himmel war sehr nahe, eine gute, vertraute, irdische Schale aus einem vertrauten blauen Glas, lag er, mit der Hand zu greifen, über der Erde. Der steinerne Pfeiler rechts vom Pavillon schien ihn zu berühren. Die Sterne waren von irdischen Händen in den nahen Himmel mit Stecknadeln gespießt wie Fähnchen in eine Landkarte. Manchmal drehte sich die ganze blaue Nacht um den Bezirkshauptmann, schaukelte sachte und hielt wieder still. Die Frösche quakten in den unendlichen Sümpfen. Es roch feucht nach Regen und Gras. Die gespenstisch weißen Pferde vor dem schwarzen Wagen überragte der Kutscher im schwarzen Mantel. Die Schimmel wieherten, und weich wie Katzenpfoten scharrten ihre Hufe den feuchten, sandigen Boden. Der Kutscher schnalzte mit der Zunge, und sie fuhren. Sie fuhren den Weg zurück, den sie gekommen waren, bogen in die breite, geschotterte Birkenallee und erreichten die Laternen, die das »neue Schloß« ankündigten. Die silbernen Birkenstämme schimmerten noch heller als die Laternen. Die starken Gummiräder der Kalesche rollten glatt und mit einem dumpfen Murmeln über den Schotter, man hörte nur den harten Aufschlag der geschwinden Schimmelhufe. Die Kalesche war breit und bequem. Man lehnte in ihr wie in einem Ruhebett. Leutnant Trotta schlief. Er saß neben seinem Vater. Sein blasses Angesicht lag fast waagerecht auf der Polsterlehne, durch das offene Fenster strich der Wind darüber. Von Zeit zu Zeit beleuchtete es eine Laterne. Dann sah Chojnicki, der seinen Gästen gegenübersaß, die 145
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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