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Radetzkymarsch
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Leben kennen, die Küchen und die Schlafzimmer, die Neigungen, die Leidenschaften und die Dummheiten. Und da er den Frauen nicht alles glaubte, sondern nur drei Viertel von dem, was sie ihm berichteten, erlangte er mit der Zeit eine ausgezeichnete Kenntnis der Welt, die wertvoller war als seine medizinische. Auch wenn er mit Männern sprach, lag auf seinen Lippen das ungläubige und dennoch bereitwillige Lächeln eines Menschen, der alles zu hören erwartet. Eine Art abwehrender Güte leuchtete auf seinem kleinen, verkniffenen Antlitz. Und in der Tat hatte er die Menschen ebenso gern, wie er sie geringschätzte. Ahnte die einfache Seele Herrn von Trottas etwas von der herzlichen Schlauheit Doktor Skowronneks? Es war jedenfalls der erste Mensch nach dem Jugendfreund Moser, für den der Bezirkshauptmann eine zutrauliche Hochachtung zu fühlen begann. »Sie leben schon lange hier in unserer Stadt, Herr Doktor?« fragte er. »Seit meiner Geburt!« sagte Skowronnek. »Schade, schade«, sagte der Bezirkshauptmann, »daß wir uns so spät kennenlernen!« »Ich kenne Sie schon lange, Herr Bezirkshauptmann!« sagte Doktor Skowronnek. »Ich hab’ Sie gelegentlich beobachtet!« erwiderte Herr von Trotta. »Ihr Herr Sohn war einmal hier!« sagte Skowronnek. »Es sind ein paar Jahre her!« »Ja, ja! Ich erinnere mich!« meinte der Bezirkshauptmann. Er dachte an den Nachmittag, an dem Carl Joseph mit den Briefen der toten Frau Slama gekommen war. Es war Sommer. Es hatte geregnet. Einen schlechten Cognac hatte der Junge am Büfett getrunken. »Er hat sich transferieren lassen«, sagte Herr von Trotta. »Er dient jetzt bei den Jägern, an der Grenze, in B.« »Und er macht Ihnen Freude?« fragte Skowronnek. Aber er wollte »Sorgen« sagen. »Eigentlich – ja! Gewiß! Ja!« erwiderte der Bezirkshauptmann. Er stand sehr schnell auf und verließ den Doktor Skowronnek. Er trug sich schon lange mit dem Gedanken, Doktor Skowronnek alle Sorgen zu erzählen. Er wurde alt, er brauchte einen Zuhörer. Jeden Nachmittag faßte der Bezirkshauptmann aufs neue den Entschluß, mit Doktor Skowronnek zu sprechen. Aber er brachte nicht jenes Wort hervor, das geeignet gewesen wäre, ein vertrautes Gespräch einzuleiten. Doktor Skowronnek erwartete es jeden Tag. Er ahnte, daß die Zeit für den Bezirkshauptmann gekommen war, Geständnisse abzulegen. Seit mehreren Wochen trug der Bezirkshauptmann in der Brusttasche einen Brief seines Sohnes. Es galt, ihm zu antworten, aber Herr von Trotta konnte es nicht. Indessen wurde der Brief immer schwerer, geradezu eine Last in der Tasche. Bald war es dem Bezirkshauptmann, als trüge er den Brief auf seinem alten Herzen. Carl Joseph schrieb nämlich, daß er gedenke, die Armee zu verlassen. Ja, gleich der erste Satz des Briefes lautete: »Ich trage mich mit 209
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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