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Radetzkymarsch
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Alle Kanzleischreiber drehten grüne und rote Girlanden aus Papier. Die Offiziersburschen saßen auf den dünnen Fichtenstämmen des »Wäldchens« und spannten Drähte von einem Bäumchen zum andern. Dreimal in der Woche rückten die Dragoner nicht aus. Sie hatten »Schule« in der Kaserne. Man unterwies sie in der Kunst, mit vornehmen Gästen umzugehen. Eine halbe Schwadron wurde vorübergehend dem Koch zugeteilt. Hier lernten die Bauern, wie man Kessel putzt, Tabletts serviert, Weingläser hält und den Bratspieß dreht. Jeden Morgen hielt der Oberst Festetics strenge Visite in Küche, Keller und in der Messe ab. Für alle Mannschaftspersonen, denen die geringste Aussicht drohte, mit den Gästen in irgendeiner Weise zusammenzustoßen, hatte man weiße Zwirnhandschuhe angeschafft. Jeden Morgen mußten die Dragoner, denen die Laune der Wachtmeister diese harte Auszeichnung beschert hatte, die ausgestreckten, weißbekleideten Hände, alle Finger gespreizt, dem Obersten vor die Augen halten. Er prüfte die Sauberkeit, den Sitz, die Haltbarkeit der Nähte. Er war aufgeräumt, von einer besonderen, verborgenen, inneren Sonne durchleuchtet. Er bewunderte seine eigene Tatkraft, rühmte sie und verlangte Bewunderung. Er entwickelte eine ungewöhnliche Phantasie. Jeden Tag schenkte sie ihm mindestens zehn Einfälle, während er früher mit einem einzigen wöchentlich ganz gut ausgekommen war. Und die Einfälle betrafen nicht nur das Fest, sondern auch die großen Fragen des Lebens, das Exerzierreglement zum Beispiel, die Adjustierung und sogar die Taktik. In diesen Tagen wurde es dem Obersten Festetics klar, daß er ohne weiteres General sein könnte. Jetzt waren die Drähte von Stamm zu Stamm gespannt, nun handelte es sich darum, die Girlanden an den Drähten anzubringen. Man hängte sie also probeweise auf. Der Oberst besichtigte sie. Unleugbar war die Notwendigkeit vorhanden, auch Lampions anzubringen. Aber da es, trotz den Nebeln und der Schwüle, so lange nicht mehr geregnet hatte, mußte man jeden Tag ein überraschendes Gewitter erwarten. Der Oberst bestimmte also eine ständige Wache im Wäldchen, deren Aufgabe es war, bei den geringsten Anzeichen eines nahenden Gewitters die Girlanden wie die Lampions abzunehmen. »Auch die Drähte?« fragte er vorsichtig den Rittmeister. Denn er wußte wohl, daß große Männer den Rat ihrer kleineren Helfer gerne hören. »Den Drähten passiert nix!« sagte der Rittmeister. Man ließ sie also an den Bäumen. Es kamen keine Gewitter. Es blieb schwül und schwer. Dagegen erfuhr man aus manchen Absagen der Eingeladenen, daß an dem Sonntag, an dem das Fest der Dragoner stattfinden sollte, auch das Fest eines bekannten Adelsklubs in Wien gefeiert wurde. Manche unter den Eingeladenen schwankten zwischen ihrer Begierde, alle Neuigkeiten aus der Gesellschaft zu vernehmen (was nur auf dem Ball des Klubs möglich war), und dem abenteuerlichen Vergnügen, die fast sagenhafte Grenze zu besuchen. Die Exotik erschien ihnen genauso 255
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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