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Zipper und sein Vater
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1Kapitel Ich hatte keinen Vater – das heißt: ich habe meinen Vater nie gekannt –, Zipper aber besaß einen. Das verlieh meinem Freund ein besonderes Ansehen, als wenn er einen Papagei oder einen Bernhardiner gehabt hätte. Wenn Arnold sagte: »Ich gehe mit meinem Vater morgen auf den Kobenzl«, so wünschte ich mir, auch einen Vater zu haben. Man konnte ihn bei der Hand nehmen, seine Unterschrift nachahmen, man konnte von ihm Rügen, Strafen, Belohnungen, Prügel erhalten. Manchmal wollte ich meine Mutter veranlassen, noch einmal zu heiraten; denn selbst ein Stiefvater kam mir begehrenswert vor. Die Lage der Dinge ließ es aber nicht zu. Der junge Zipper protzte immer mit seinem Vater. Dies hatte ihm der Vater gekauft, jenes verboten. Dies hatte er ihm versprochen, jenes versagt. Mit dem Lehrer wollte der Vater sprechen, einen Hauslehrer wollte er bestellen, Arnold eine Uhr zur Konfirmation kaufen und ihm ein eigenes Zimmer einrichten. Selbst wenn der Vater dem Sohn eine Unannehmlichkeit zufügte, so war es, als hätte Arnold sie selbst gewünscht. Der Vater war ein mächtiger, aber zugleich auch ein dienstbarer Geist. Manchmal kam ich mit Arnolds Vater zusammen. Eine Viertelstunde lang behandelte er mich wie seinen eigenen Sohn. Er sagte mir zum Beispiel: »Mach den Kragen zu, es geht ein Nordwest, man kann Halsweh kriegen.« Oder: »Zeig mir mal deine Hand her, du hast dich ja verletzt, wir wollen drüben in die Apotheke gehen und etwas draufstreichen.« Oder: »Sag deiner Mutter, sie soll dich zum Friseur schicken. Im Hochsommer trägt man keine langen Haare.« Oder: »Kannst du schon schwimmen? Ein junger Mann muß schwimmen können!« Dann war es, als hätte mir der junge Zipper den alten geliehen. Ich war meinem Freund dankbar, hatte aber zugleich das peinliche Gefühl, daß ich ihm seinen Vater zurückgeben müsse, wie ich ihm den »Robinson« zurückgeben mußte. Geliehene Sachen waren schließlich nicht eigene. Immerhin durfte ich zuweilen Zippers Vater längere Zeit behalten, wenn auch nur, um ihn mit Arnold zu teilen. Wir gingen gelegentlich alle drei zu besonderen Anlässen, wir bestiegen bedeutende Türme, besichtigten Menagerien, Mißgeburten, Liliputaner, Tanagratheater und den Schnelläufer, der in zehn Minuten die lange Lastenstraße zurücklegte. Damals behauptete Zipper, es wären eigentlich elf Minuten und fünfundvierzig Sekunden 5
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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