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Zipper und sein Vater
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20 Kapitel Einige Monate, nachdem ich die letzte Karte Arnolds aus Amsterdam erhalten hatte, fuhr ich nach Wien. Ich beschloß, das Haus Zipper aufzusuchen, nicht nur, weil mich Arnolds Schicksal interessierte, sondern auch, weil ich mit dem alten Zipper sprechen wollte. Schon sah ich die geräuschvolle Straße wieder, in der sie wohnten, das breite Haus mit der falschen Marmorstukkatur, rechts den »Galanteriewarenladen«, in dessen Schaufenstern alle Gegenstände zum »Luxus« gehörten und alle aus einem anderen Material bestanden, als man auf den ersten Blick glauben mußte. Was wie Krokodilleder aussah, war künstlich verändertes Kalb, Schlangenhaut kam von Eidechsen, Seide war Kunstseide, Saphire waren Glas, goldene Ringe waren Doublé, silbernes Besteck war Alpaka, Stahl war Nickel, Schildpatt war Kautschuk, und selbst das Eisen war nicht echt. Ich sah den alten Photographenkasten an der linken Seite des Eingangs, in dem immer wieder neue Brautpaare ausgestellt wurden. Als ich ihn das letztemal betrachtet hatte, hing noch eine Photographie vom alten Zipper in der Feldwebeluniform da, das letzte Bild aus der Zeit des Krieges – alle andern Uniformen hatte der Photograph entfernt. Der alte Zipper war geblieben, weil der Photograph wahrscheinlich Rücksicht auf einen so würdigen und engen Nachbarn genommen hatte. Ich sah die kalte Stiege aus Stein, den grünen zerfransten Teppich, der nur bis zum zweiten Stock lief, das Geländer aus Eisen und die bunten Fensterscheiben in den Korridoren, mit den weiß eingelegten nackten Frauen, sogenannten symbolischen Figuren. Ich roch die Düfte der Wohnungen, die man passierte, ehe man zu den Zippers kam, Erbsen, Menschen und Betten, ich sah den Zettel an der Tür der Zippers: Bitte stark klopfen, Glocke funktioniert nicht – seit wieviel Jahren funktionierte sie nicht mehr? –, und das dunkle Vorzimmer, in dem seit meiner frühesten Jugend ein Regenschirm im Ständer lehnte, von dem niemand wußte, wer ihn vergessen hatte. Wir spielten dann mit ihm. Allmählich hatte er seine Haut verloren, man sah sein dürres stählernes Skelett. Endlich stellte ich mir den alten Zipper vor – den »alten Zipper«. Immer war er für mich alt gewesen, noch als er selbst glaubte jung zu sein. Wie alt war er erst jetzt! Wie grün mußte sein schwarzer Anzug schon geworden sein, wie grau seine weiße Krawatte, wie locker der Elfenbeingriff seines Stockes; 101
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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