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Zipper und sein Vater
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3Kapitel Wenn ich heute an den alten Zipper zurückdenke, so wundere ich mich darüber, daß ich damals seine große Trauer nicht bemerkt habe. Ihm selbst kam sie nie zum Bewußtsein. Er hatte etwas von einem traurigen Clown. Aber ich fand ihn lustig, wie Kinder einen Clown immer lustig finden. Der alte Zipper mit seinem dünnen, hellen, teefarbenen Schifferbart, der sein breites, rundes Gesicht einfaßte und gleichsam ein überflüssiger Luxus war, wie ein Rahmen um ein gleichgültiges Bild, der alte Zipper mit seinen braunen, gutmütigen, immer todernsten Augen, der alte Zipper mit seinem ewigen runden steifen Hut, den er aufsetzte, wenn er zum offenen Fenster ging, wenn er sich nur einen Schritt vom Haus entfernte, um eine Zeitung zu kaufen, der alte Zipper mit seinem schwarzen Stock aus »echtem Mahagoni«, dieser alte Zipper verbreitet heute, sooft ich ihn in meine Erinnerung zurückrufe, eine große Schwermut. Er macht mich traurig, jetzt, in diesen Stunden, da ich von ihm erzähle. Er hatte viel Kummer in seinem Leben und wahrscheinlich keinen Schmerz. Aber eben deshalb ist er so traurig, traurig wie ein aufgeräumtes Zimmer, traurig wie eine Sonnenuhr im Schatten, traurig wie ein ausrangierter Waggon auf einem rostigen Gleis. Es gab dennoch einen Menschen, dem er, der Sanfte, der Harmlose, großes Leid zufügte, sicherlich ohne es zu wissen. Es gab nämlich noch Frau Zipper. Sie paßten nicht zueinander, nein, sie paßten nicht zueinander. Aber, wie es so ist, man dachte niemals daran, daß sie zueinander nicht paßten. Es geht uns gewöhnlich so, wenn wir ältere Ehepaare betrachten. Sie stellen ein Fait accompli dar, es ist nicht mehr an ihrer Gemeinsamkeit zu zweifeln. Sie haben schon Kinder, große Kinder. Nichts mehr ist übriggeblieben von den Widerständen, die sie in der ersten Zeit ihrer Ehe gegeneinander zu Felde geführt haben wie Waffen. Beide haben ihre Schärfen abgewetzt, ihre Munition verbraucht. Sie sind zwei alte Feinde, die aus Mangel an Kampfmitteln einen Waffenstillstand schließen, der aussieht wie ein Bündnis. Und man weiß nichts mehr von ihrer alten Feindschaft. Aber in den Augenblicken, die wir fremde Beobachter nicht kennen, gebrauchen sie noch gegeneinander die übriggebliebenen Reste der Waffen, oder sie verwenden andere Geräte, Geräte des Friedens, zum häuslichen Kampf. Sie haben noch aus der Zeit, als ihre Feindschaft jung gewesen, verschiedene Mittel des Hasses, die sich nicht abnützen: ein Lächeln, das 13
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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