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Zipper und sein Vater
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2Kapitel Die Familie Zipper wohnte in dem Viertel der kleinen Bürger, in dem die Wohnungen aus zu engen Zimmern bestehen, dünne Wände haben und nutzlosen Zierat enthalten. Es gab einen außerordentlich noblen Raum in der Wohnung Zippers. Er lag hinter dem Schlafzimmer. Man hätte ihn auch vom Flur aus erreichen können. Dort aber war die Tür geschlossen. Sie öffnete sich nur einmal im Jahr, zu Ostern, wenn des alten Zippers Bruder aus Brasilien zu Besuch kam. Für uns, den jungen Zipper und mich, war das vornehme Zimmer, das man Salon nannte, am Sonntagnachmittag zugänglich, wenn wir versprachen, uns ruhig zu verhalten und »nichts zu zerbrechen«. Denn viel Zerbrechliches war dort angesammelt. Ich erinnere mich an ein gläsernes blaßblaues Tintenfaß mit silbernem Deckel, ein kleines Streusandfäßchen von gleicher Farbe und einen Federhalter aus blauem Glas. Es war eine Garnitur. Sie stand in der Mitte der rubinroten schweren Trinkgläser auf der Kommode, der silbernen Becher und der neusilbernen Obstbestecke. In den Gläsern, die immer ein wenig verstaubt waren, lagen Perlmutterknöpfe und Kinderringe aus weichem Silber, Krawattenhalter und hölzerne Nadeletuis, Agraffen, mit gläsernen Brillanten besetzt, schwarzer, biegsamer und klebriger Flitter, der jedesmal von dem schwarzen Prachtkleid der Frau Zipper abfiel und den sie sammelte, um ihn gelegentlich wieder anzunähen. Immer lag der Salon im Halbdunkel. Schwere, rote Vorhänge gestatteten der Sonne nur einen spärlichen Zutritt, kaum daß es einem Strahl manchmal gelang, sich einen schmalen Weg zu bahnen und eine dünne silberne Staubsäule vom Fenster zum runden Tisch zu ziehen. Mottenkugeln rochen scharf aus den ewig geschlossenen Schränken. Eine dumpfe Feuchtigkeit gemahnte an herbstliche Felder, Allerseelen, Weihrauch in kühlen Kapellen. An der Wand hingen Porträts von den Großeltern und Eltern der Frau Zipper. Der alte Zipper besaß keine Bilder von seinen Ahnen. Denn er stammte aus einer Familie, die »einfach« war und die sich nie hatte porträtieren lassen. Er selbst aber schien der Ahnherr eines respektvollen Geschlechtes werden zu wollen. Er ließ sich oft photographieren und alle seine Bilder vergrößern. Er hängte sie an die Wände des Salons. Da sah man Herrn Zipper mit Hut und Stock, auf einer Gartenbank, Jasmin im Hintergrund. Dort: am Schreibtisch, in einem dicken Buch lesend. Rechts hing das Bild, das Herrn Zipper in der Uniform eines Feldwebels – eines Rechnungsfeldwebels – der Infanterie 8
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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