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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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die er in allen Formen und Phasen verehrt (»wie es auch sei, das Leben, es ist gut«). Nichts nun ist diesen Gequälten, Gejagten, Getriebenen, den vom Dämon durch die Welt Gerissenen fremder, als der Wirklichkeit solch hohen Wert oder überhaupt irgendeinen zu geben: sie kennen nur die Unendlichkeit, und als einzigen Weg, sie zu erreichen, die Kunst. Darum stellen sie die Kunst über das Leben, die Dichtung über die Realität, sie hämmern sich wie Michelangelo durch die tausend Steinblöcke blindwütig, finsterglühend, in immer fanatischerer Leidenschaft durch den dunklen Stollen ihres Daseins dem funkelnden Gestein entgegen, das sie tief unten in ihren Träumen fühlen, indes Goethe (wie Leonardo) die Kunst nur als einen Teil, als eine der tausend schönen Formen des Lebens fühlt, die ihm teuer ist wie die Wissenschaft, wie die Philosophie, aber doch nur Teil, ein kleiner wirkender Teil seines Lebens. Darum werden die Formen der Dämonischen immer intensiver, jene Goethes immer extensiver. Sie verwandeln ihr Wesen immer mehr in eine großartige Einseitigkeit, eine radikale Unbedingtheit, Goethe das seine in eine immer umfassendere Universalität. Durch diese Liebe zum Dasein zielt alles beim antidämonischen Goethe auf Sicherheit, auf weise Selbsterhaltung. Durch diese Verachtung des realen Daseins drängt alles bei den Dämonischen zu Spiel, zu Gefahr, zu gewaltsamer Selbsterweiterung und endet in Selbstvernichtung. Wie bei Goethe alle Kräfte zentripetal, also vom Äußern zum Mittelpunkt hin sich sammeln, so wirkt bei jenen der Machtdrang zentrifugal, aus dem innern Kreis des Lebens herausdrängend und ihn unvermeidlich zerreißend. Und dies Ausfließen – dies Überfließenwollen ins Gestaltlose, in den Weltraum, sublimiert sich am sichtlichsten in ihrer Neigung zur Musik. Dort vermögen sie ganz uferlos, ganz formlos sich auszuströmen in ihr Element: gerade im Untergang geraten Hölderlin und Nietzsche, ja sogar der harte Kleist in ihre Magie. Verstand löst sich vollkommen in Ekstase, die Sprache in den Rhythmus: immer (auch bei Lenau) umbrandet Musik den Einsturz des dämonischen Geistes. Goethe dagegen hat eine »vorsichtige Haltung« zur Musik: er fürchtet ihre verlockende Kraft, den Willen ins Wesenlose abzuziehen, und dämmt sie in seinen starken Stunden (selbst Beethoven) gewaltsam zurück: nur in der Stunde der Schwachheit, der Krankheit, der Liebe ist er ihr offen. Sein wahres Element aber ist Zeichnung, ist Plastik, alles was feste Formen bietet, was Schranken stellt gegen das Vage, das Gestaltlose, alles was das Zerfließen, Zergehen, Entströmen der Materie hemmt. Lieben jene das, was entbindet, in eine Freiheit führt, ins Chaos des Gefühls zurück, so greift sein wissender Selbstbewahrungstrieb nach allem, was die Stabilität des Individuums fördert, nach Ordnung, Norm, Form und Gesetz. Mit hundert Gleichnissen könnte man diesen fruchtbaren Gegensatz 12
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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