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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Eine Botin, eine Schwester, eine aus seiner Welt Verirrte, so sieht Hölderlin, der heilige Schwärmer, seines Brotherrn Frau: kein sinnlicher Gedanke des Besitzes mengt sich diesem Verwandtschaftsgefühl. In seltsamem Parallelismus zu Goethes Versen an Charlotte von Stein: Ach, Du warst in abgelebten Zeiten Meine Schwester oder meine Frau, grüßt er Diotima als Langgeahnte, als Schwester einer magischen Präexistenz: Diotima! Edles Leben, Schwester, heilig mir verwandt! Eh ich Dir die Hand gegeben, Hab ich ferne Dich gekannt. Hier sieht sein trunkener Überschwang zum erstenmal in der zerstückten, verdorbenen Welt den gebundenen Menschen, das »Eins und alles« – »Lieblichkeit und Hoheit und Ruh und Leben und Geist und Gemüt und Gestalt ist Ein seliges Eins in diesem Wesen«, und zum erstenmal orgelt aus einem Briefe Hölderlins das Wort Glück mit unendlicher Seelengewalt empor. »Noch bin ich immer glücklich wie im ersten Moment. Es ist eine ewige fröhliche heilige Freundschaft mit einem Wesen, das sich recht in dies arme, geist- und ordnungslose Jahrhundert verirrt hat. Mein Schönheitssinn ist nun vor Störung sicher. Er orientiert sich ewig an diesem Madonnenkopfe. Mein Verstand geht in die Schule bei ihr, und mein uneinig Gemüt besänftigt, erheitert sich täglich in ihrem genügsamen Frieden.« Das nun ist die ungeheure Gewalt, die Hölderlin an dieser Frau erfährt: Beruhigung. Ein Hölderlin, der Urekstatiker, braucht nicht Glut an einer Frau zu lernen – Glück für diesen ewig Feurigen ist Entspannung, die unendliche Wohltat des Ruhendürfens. Und das ist Diotimas Gnade an ihn: Mäßigung. Sie vermag, was Schiller, was der Mutter, was niemandem gelang, den »geheimnisvollen Geist der Unrast« durch Melodie zu zähmen. Man ahnt ihre sorglich gebreitete Hand, ihre mütterlich sorgende Zärtlichkeit aus den Zeiten des Hyperion, »wenn sie immer mit Rat und freundlichen Ermahnungen versucht, ein ordentlich und fröhlich Wesen aus mir zu machen, wenn sie die düsteren Locken und das alternde Gewand und die zernagten Nägel mir verwies«. Wie ein ungeduldiges Kind behütet sie ihn zärtlich, der ihre Kinder behüten soll, und diese Ruhe um ihn, diese Ruhe in ihm ist Hölderlins Seligkeit. »Du weißt ja, wie ich war«, schreibt er dem vertrauten Freunde, »weißt ja, wie ich ohne Glauben lebte, wie ich so karg geworden war mit meinem Herzen, und darum so elend; könnt ich werden, wie ich jetzt bin, froh 57
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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