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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Page - 86 - in Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche

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der klingenden Flut: singend wie jene Indianer im Hiawathagedicht seines Schicksalsbruders Lenau stürzt er den brausenden Katarakt hinab. Im Tiefsten erschreckt und doch »vom unverstandenen Wunder ehrfürchtig berührt«, läßt ihn die Mutter, lassen ihn die Freunde vorerst im elterlichen, im bürgerlichen Haus. Aber immer wütiger bricht der Dämon aus dem Kranken: das Absterben der Vernunft ist mit tobsüchtigen Ausbrüchen begleitet, die Flamme, ehe sie ganz erlischt, schlägt noch gefährlich auf. So müssen sie ihn in die Klinik bringen, dann zu Freunden und schließlich in eines braven Tischlermeisters Haus. Mit den Jahren brennt das wilde Feuer in ihm aus, der Krampf lockert sich, Hölderlin wird wieder kindlich-kindisch und sanft, die Gewitter seiner Nerven verrauschen in eine schwere Dämmerung. Noch weiß er sich mancher Einzelheit zu entsinnen, aber sich selbst hat er vergessen. Wie durch einen traumhaften Schleier fühlt sein entgeisterter Leib die sanfte Wohltat der Natur im Frühling und atmet süß die durchwürzte Luft der Felder; noch schlägt vierzig Jahre lang im ausgebrannten Gehäuse das vereinsamte Herz, aber nur ein Schatten seines Wesens geistert hin durch die Zeit. Hölderlin, der heilige Jüngling, ist längst entrückt von den Göttern in die Wolken, wie Iphigenia auf Aulis. Er lebt in anderen Gefilden mit seinem gesteigerten Leben. Was aber auf den trüben Wassern der Zeit noch vierzig Jahre lang unbewußt hinschwimmt, ist seine geistige Leiche nur, jenes entstaltete gespenstige Schattenbild, das sich, unkund seiner selbst, manchmal »der Herr Bibliothekarius« nennt und manchmal »Scardanelli«. 86
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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