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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Page - 138 - in Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche

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nicht Ulrike, nicht Marie von Kleist können mit in die Siedehitze seiner Forderungen; nur der Tod, der Superlativ, der nicht mehr zu Überbietende, vermag einem Kleistischen Liebesbedürfnis – Penthesilea hat seine Gluten verraten – genügen. So ist nur die Frau, die mit ihm sterben will, die dieses äußerste, nicht mehr zu übersteigernde Gefühl aufbringt, die einzige, die er ersehnt, und ihm »ihr Grab lieber ist als die Betten aller Kaiserinnen der Welt« (wie er in seinem Todesbrief aufjubelt). So bietet er, fast aufdringlich, allen, die ihm teuer sind, seine Gefolgschaft an für den Sturz ins Dunkel. Karoline von Schiller (die ihm fast fremd war) erklärt er sich bereit, »sie und mich zu erschießen«, und seinen Freund Rühle lockt er mit schmeichelnden leidenschaftlichen Worten: »Der Gedanke will mir nicht aus dem Kopf, daß wir noch einmal zusammen etwas tun müssen komm, laß uns etwas Gutes tun und dabei sterben! Einen der Millionen Tode, die wir schon gestorben sind und noch sterben werden. Es ist, als ob wir aus einem Zimmer in das andere gehen.« Wie immer bei Kleist, wird der Gedanke, der kalte, zur Leidenschaft, zur Glut, zur Ekstase. Immer mehr berauscht er sich an der Idee, das langsame stückweise Zerbröckeln von Kraft und Widerkraft durch eine einmalige Explosion, durch eine heroische Selbstzerstörung großartig zu enden, aus der Kläglichkeit, Gehemmtheit, Gebrochenheit des ewig ungenügsamen Lebensgefühls in einen phantastischen Tod sich hinabzustürzen: herrlich reckt sich der Dämon in ihm auf, denn er will endlich zurück in seine Unendlichkeit. Diese Leidenschaft zur Todesgemeinschaft bleibt von seinen Freunden, von den Frauen unverstanden, wie alle seine Übersteigerungen des Gefühls: vergeblich drängt, ja bettelt er um einen Gefährten für den Abgrund – alle wehren sie erschreckt und entgeistert den phantastischen Vorschlag ab. Endlich – und gerade in der Stunde, da seine Seele schon überschwillt von Bitternis und Ekel – begegnet er einer, einer fast fremden, die ihm dankt für so sonderlichen Vorschlag. Es ist eine Kranke, eine Todgeweihte, im Innern ihres Leibes so vom Krebs zerfressen wie Kleist im Innern seiner Seele von Lebensüberdruß; unfähig selbst eines starken Entschlusses, aber exaltiert anempfinderisch an seine Ekstase, läßt sich die Verlorene gern mitreißen in den Abgrund. Nun hat er eine, die ihn erlöst von der Einsamkeit der letzten Sekunde des Sturzes, und so entsteht diese seltsame phantastische Brautnacht des Ungeliebten mit der Ungeliebten, so stürzt sich die alternde, todkranke, häßliche Frau (deren Antlitz er nur mit der Ekstase dieses Gedankens geschaut) mit ihm in die Unsterblichkeit hinein. Im Innersten war diese schöngeistige, sentimental-schwärmende Rendantenfrau ihm fremd, ja er hat es wahrscheinlich nie erfahren im geschlechtlichen Sinne, daß sie Frau war – aber er vermählt sich mit ihr unter anderm Stern und Zeichen, in der heiligen Priesterschaft des Todes. Die zu klein, zu weich, zu schwächlich gewesen 138
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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