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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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angreifen, um die Bücher überhaupt noch erscheinen zu lassen. Aber nicht nur, daß niemand sie kauft – selbst wenn er sie verschenkt, findet Nietzsche, der letzte Nietzsche, keine Leser mehr. Vom vierten Zarathustrateil läßt er auf eigene Kosten bloß vierzig Exemplare mehr drucken – und findet dann nur sieben Menschen im deutschen Siebzigmillionenreich, denen er ein Exemplar zuschicken kann, so fremd, so unfaßbar fremd ist Nietzsche auf der Höhe seines Schaffens der Zeit geworden. Niemand gibt ihm einen Brocken Zutrauen, ein Senfkorn Dank: im Gegenteil, um den allerletzten der Jugendfreunde, um Overbeck nicht zu verlieren, muß er sich entschuldigen, daß er Bücher schreibt, sie sich verzeihen lassen. »Alter Freund«, – man hört den ängstlichen Ton, man sieht das verstörte Gesicht, die aufgehobenen Hände, die Geste eines Zurückgestoßenen, der noch einen neuen Schlag fürchtet – »lies es von vorn und von hinten, laß Dich nicht verwirren und entfremden. Nimm alle Kraft Deines Wohlwollens für mich zusammen. Ist Dir das Buch unerträglich, so vielleicht hundert Einzelheiten nicht.« So reicht 1887 der größte Geist des Jahrhunderts seinen Zeitgenossen die größten Bücher der Zeit, und an einer Freundschaft weiß er nichts Heroischeres zu rühmen, als daß sie nichts hätte zerstören können – »auch der Zarathustra nicht«. Auch der Zarathustra nicht! – eine solche Belastungsprobe, eine solche Peinlichkeit ist Nietzsches Schaffen für seine nächsten Menschen geworden, so unüberbrückbar die Distanz seines Genies zur Inferiorität der Zeit. Immer dünner wird die Luft um seinen Atem, immer stiller, immer leerer. Diese Stille macht die letzte, die siebente Einsamkeit Nietzsches zur Hölle: an ihrer metallenen Wand zerstößt er sich das Gehirn. »Nach einem solchen Anrufe, wie mein Zarathustra es war, aus der innersten Seele heraus, nicht einen Laut von Antwort zu hören, nichts, nichts, immer nur die lautlose, nunmehr vertausendfachte Einsamkeit – das hat etwas über alle Begriffe Furchtbares, daran kann der Stärkste zugrunde gehen«, stöhnt er einmal auf und fügt bei: »Und ich bin nicht der Stärkste. Mir ist seitdem zumute, als sei ich tödlich verwundet.« Aber es ist nicht Beifall, Zustimmung, Ruhm, den er verlangt – im Gegenteil, nichts wäre seinem kriegerischen Temperament willkommener als Zorn, Entrüstung, Verachtung, ja selbst Hohn – »in dem Zustand eines bis zum Zerspringen gespannten Bogens tut einem jeder Affekt wohl, vorausgesetzt, daß er gewaltsam ist« –, aber nur irgendeine Antwort, kalt oder heiß, oder sogar lau, nur etwas, irgend etwas, das ihm seine Existenz, sein geistiges Dasein bezeugt. Aber selbst seine Freunde weichen ängstlich aus, biegen in ihren Briefen an jedem Urteil wie an etwas Peinlichem vorbei. Und das ist die Wunde, die sich immer tiefer nach innen frißt, seinen Stolz vereitert, sein Selbstbewußtsein entzündet, seine Seele brandig macht, »die Wunde, keine Antwort zu haben«. Sie allein hat seine 190
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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