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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Page - 194 - in Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche

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hat längst aufgehört, ein Tun, eine Arbeit zu sein, es ist bloß ein laisser faire, ein Geschehenlassen höherer Gewalten. Der vom Geist Durchschütterte braucht nur den Blick zu heben, jenen weitsichtigen, »weitdenkenden« Blick, und er übersieht (wie Hölderlin im letzten Aufschwung zur mythischen Schau) ungeheure Zeiträume im Vergangenen und Zukünftigen: er aber, der Klardämonische, sieht sie dämonisch klar zum Greifen. Er muß nur die Hand ausstrecken, die heiße rasche Hand, um sie zu fassen; und kaum hat er sie ergriffen, sind sie schon durchblutet von Bildern, zuckend von Musik, lebend und beseelt. Und dieser Zustrom der Ideen, der Bilder setzt nicht eine Sekunde dieser wahrhaft napoleonischen Tage aus. Der Geist wird hier überflutet, es wird ihm Gewalt, Elementargewalt angetan. »Der Zarathustra überfiel mich« – immer ist es ein Überfallenwerden, ein Wehrloswerden vor einem Übermächtigen, das er berichtet – als sei irgendwo in seinen Sinnen ein geheimer Staudamm der Vernünftigkeit, der organischen Abwehr vor einer Flut eingestürzt, die nun sturzbachhaft über den ohnmächtig, den herrlich Willenlosen hereinstürzt. »Es ist vielleicht überhaupt niemals etwas aus einem gleichen Überfluß von Kraft heraus getan worden«, sagt Nietzsche ekstatisch von jenen letzten Werken; aber mit keinem Worte wagt er zu sagen, daß es seine eigene Kraft war, die ihn beschenkt und zersprengt. Im Gegenteil, er fühlt sich trunken – fromm nur als »Mundstück jenseitiger Imperative«, als heilig Besessenen höheren dämonischen Elements. Aber dies Wunder der Inspiration, den Schrecken und Schauer dieses fünf Monate lang ohne Pause niederbrechenden Gewitters von Produktion, wer darf es schildern, da er selbst in der Verzückung des Dankes, in der Leuchtkraft unmittelbarster, erlebtester Durchführung sein Erleben geschildert hat? Man darf nur diese mit Blitzen gehämmerte Prosaseite abschreiben, wie er sie schrieb: »– Hat jemand, Ende des neunzehnten Jahrhunderts, einen deutlichen Begriff davon, was Dichter starker Zeitalter Inspiration nannten? Im anderen Falle will ich’s beschreiben. – Mit dem geringsten Rest von Aberglauben in sich würde man in der Tat die Vorstellung, bloß Inkarnation, bloß Mundstück, bloß Medium übermächtiger Gewalten zu sein, kaum abzuweisen wissen. Der Begriff Offenbarung, in dem Sinn, daß plötzlich, mit unsäglicher Sicherheit und Feinheit, Etwas sichtbar, hörbar wird, Etwas, das Einen im Tiefsten erschüttert und umwirft, beschreibt einfach den Tatbestand. Man hört, man sucht nicht; man nimmt, man fragt nicht, wer da gibt; wie ein Blitz leuchtet ein Gedanke auf, mit Notwendigkeit, in der Form ohne Zögern ich habe nie eine Wahl gehabt. Eine Entzückung, deren ungeheure Spannung sich mitunter in einen Tränenstrom auslöst, bei der der Schritt unwillkürlich bald stürmt, bald langsam wird; ein vollkommnes Außer-sich-Sein mit dem distinktesten Bewußtsein einer Unzahl feiner Schauder und Überrieselungen bis in die Fußzehen; eine 194
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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