Page - 230 - in Aufklärung der Struktur von Metallclusterionen in der Gasphase mittels Elektronenbeugung
Image of the Page - 230 -
Text of the Page - 230 -
230 Der Temperatureinfluss auf die Gleichgewichtsstruktur von Metallclusterionen
Der Schmelzvorgang äußert sich im mikroskopischen Bild in einer hohen Mobilität der
einzelnen Atome – beginnend an der Oberfläche des Clusters und später im Kern. Als
Messgröße der Mobilität können zwei verschiedene Parameter definiert werden: 1. Das
von Berry & Amar342 vorgeschlagene Verhältnis aus Zeitskala einer Schwingung und
die zur Isomerisierung in eine andere Struktur benötigte Zeitspanne. Der Parameter hat
für Cluster einen Wert kleiner 100 und unterscheidet sich um mehrere Größenordnun-
gen von Phasenübergängen im Festkörper.343 Die zweite und im Folgenden verwendete
Größe ist der Lindemannindex344. Er entspricht der Fluktuation relativer Bindungslän-
gen und enthält mittlere Bindungsabstände unter den Bedingungen einer bestimmten
Temperatur ijr〈 〉 :
( )
1
1L
N N
δ =
− 2 2
ij ij
i j ij
r r
r .
≠ 〈 〉−〈 〉
〈
〉∑ (71)
Der Lindemannindex nimmt typischerweise Werte um 0,05 an und erreicht bei Clustern
maximal 0,30 beim Schmelzen. Für einen makroskopischen Festkörper gilt aufgrund
des deutlich geringeren Anteils an Oberflächenatomen als Schmelzkriterium ein Wert
von 0,10. Der temperaturabhängige Verlauf von δL steigt kurz vor Erreichen des eigent-
lichen Schmelzpunkts stark an. Die Ursache hierfür sind einzelne Adatome, die den
Oberflächenverbund des Clusters verlassen und auf ihm eine kurze Zeit umherwandern,
bevor sie wieder in sie integriert werden. Die Struktur ist zu diesem Zeitpunkt noch fest,
jedoch wechseln Indices der Atompositionen, wodurch sich δL signifikant erhöht.
In Abbildung 164 sind Temperaturabhängigkeiten der bisher eingeführten Größen am
Beispiel von Cu26 dargestellt (vgl. Struktur von Pd26−, Kapitel 5.3). Das bis zu ca. T =
400K vorliegende polyikosaedrische Td-Motiv zeigt eine abrupt zunehmende Mobilität
der Oberflächenatome. Der Lindemannindex verläuft zuvor flach und wurzelförmig
entsprechend dem Virialtheorem der thermischen harmonischen Schwingungsanregung.
Man erhält bei der Temperatur T = 430K eine oberflächengeschmolzene Struktur (d.h.
Volumenatome tauschen ihre Positionen nicht mit Oberflächenatomen), deren Moment-
aufnahmen meist polyikosaedrischen Bindungscharakter aufweisen. Die inneren Atome
sind zu diesem Zeitpunkt klar von den geschmolzenen abzugrenzen. Erst ab einer weite-
ren Erwärmung auf ca. 600K tauschen alle Atome der Struktur ihre Positionen. Häufig
formt sich nun auch kurzzeitig eine fcc-artige Schichtstruktur.
Der strukturelle Übergang dieser zwei Motive kann sehr gut in einem simulierten Beu-
gungsexperiment beobachtet werden (siehe Abbildung 165). Die charakteristische Sig-
natur der polyikosaedrischen Ausgangsstruktur (Doppelmaximum der Streufunktion um
s ≈ 6Å-1) geht in der Simulation ab T = 500K schlagartig in einen qualitativ neuen sM-
Verlauf über. Zu höheren Temperaturen sinken die maximalen Auslenkungen der Streu-
back to the
book Aufklärung der Struktur von Metallclusterionen in der Gasphase mittels Elektronenbeugung"
Aufklärung der Struktur von Metallclusterionen in der Gasphase mittels Elektronenbeugung
- Title
- Aufklärung der Struktur von Metallclusterionen in der Gasphase mittels Elektronenbeugung
- Author
- Thomas Rapps
- Publisher
- KIT Scientific Publishing
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86644-878-0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 390
- Keywords
- Elektronenbeugung, Nano-Metallcluster, Gasphase, massenselektiv, Strukturbestimmung
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
Table of contents
- Abstract
- 1 Einleitung 1
- 2 Elektronenbeugung in der Gasphase (GED) 5
- 3 Das TIED-Experiment 15
- 4 Heuristik der Clusterstrukturfindung 35
- 5 Strukturen von Metallclusterionen 45
- 5.1 Kleine Käfigstrukturen magnetisch dotierter Goldcluster (M@Aun−, M = Fe, Co, Ni; n = 12–15) 45
- 5.2 Ladungsabhängige Strukturunterschiede von kleinen Bismutclustern 68
- 5.3 Palladiumcluster (Pdn−/+, 13 ≤ n ≤ 147) 91
- 5.4 Wasserstoffadsorptionseigenschaften von massenselektierten Palladiumclustern 128
- 5.5 3d-/4d-/5d-Übergangsmetallcluster aus 55 Atomen 152
- 5.6 Strukturelle Entwicklung später Übergangsmetallcluster (Co, Ni, Cu, Ag) 184
- 6 Der Temperatureinfluss auf die Gleichgewichtsstruktur von Metallclusterionen 205
- 7 Statistische Untersuchungen zur Datenanalyse 259
- 8 Zusammenfassung und Ausblick 273
- Anhang A: Beugungsdaten weiterer Metallclusterionen 279
- A.1 Entwicklung der Clusterstruktur verschiedener Elemente der Gruppe 14 (Si, Sn, Pb) 279
- A.2 Schmelzen des Clusters Pb55− 283
- A.3 Der Zinncluster Sn13+ 379 286
- A.4 Strukturmotiv von Clustern des bcc-Elements Tantal 288
- A.5 Thermisch induzierte Oberflächenrekonstruktion beinahe geschlossenschaliger Silbercluster (Ag55±x−, x = 1–2) 290
- A.6 Möglicher Strukturübergang bei Silberclusterionen (Agn−, n = 80–98) 295
- A.7 Reine Goldcluster größer 20 Atome 296
- Anhang B: Apparative Entwicklung 305
- Anhang C: Einfluss der Fallengeometrie auf große Streuwinkel 311
- Anhang D: CNA-Analyse des zehnatomigen Strukturensembles 313
- Anhang A: Beugungsdaten weiterer Metallclusterionen 279
- Abbildungsverzeichnis 321
- Tabellenverzeichnis 331
- Literaturverzeichnis 333