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78 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser MaximiliansÂ
I. (1519)
Zusammen-
fassung :
inhaltlich â
â und generisch formen (Entner 1968, v.a. 41â46). Er setzt die Simonsgeschichte von der Planung
des Verbrechens ĂŒber seine DurchfĂŒhrung und AufklĂ€rung bis zur WundertĂ€tigkeit
des Knaben in rund 570 akzentuierende und groĂteils â meist nach dem Schema
abab â gereimte (doppelt) katalektische trochĂ€ische Dimeter um. Das VersmaĂ er-
innert an das Liricum carmen von Tiberinus ; seine Verwendung in einem Gedicht
dieser LÀnge ist besonders auffÀllig. Der zweite interessante Text, eine Elegie, wurde
von einem vielleicht aus Tarvis stammenden Girolamo Bononi7 verfasst, der Simon
fĂŒr die Rettung aus schwerer Krankheit dankt. Der Autor hat eine Wallfahrt zu
seinem Retter unternommen und beschreibt am Schluss kurz den Trientner Wall-
fahrtsbetrieb. Wie Aemilianusâ Pinacedion könnte auch dieses Gedicht in irgendei-
ner Form als Votivgabe gedacht gewesen sein.
Die lat. Simondichtung bietet in inhaltlicher Hinsicht ein einheitliches Erschei-
nungsbild. Das erklĂ€rt sich daraus, dass alle Autoren aus einem gemeinsamen âInfor-
mationspoolâ schöpften. Die wichtigsten Quellen waren dabei neben dem eingangs
erwÀhnten Brief des Tiberinus die Prozessakten selbst, andere briefliche Mitteilun-
gen, GerĂŒchte und last not least die jeweils Ă€ltere Simonliteratur. Dementsprechend
betreffen die Ăbereinstimmungen zwischen den einzelnen Texten nicht nur den
Plot, sondern auch den Motivschatz : Die im Referat des Tiberinus-Briefes genann-
ten, fĂŒr den Ablauf der Handlung unwesentlichen Details kehren in den meisten
Darstellungen wieder. Hierbei ist auch zu bedenken, dass die Simonliteratur als
Ganzes an einem Schatz hagiographischer (z.B. imitatio Christi) und antijĂŒdische
Motive partizipiert. Noch zu den absurdesten Einzelheiten lassen sich Parallelen in
der spÀtmittelalterlichen Exempelliteratur oder der publizistischen Ausschlachtung
anderer angeblicher Ritualmorde finden.8 Die meisten Autoren entschieden sich
dabei dafĂŒr, das Verbrechen selbst in den Mittelpunkt zu stellen ; der Prozess, die
Rolle Hinderbachs und der Simonkult kommen erst in zweiter Linie zur Sprache.
Offensichtlich lieĂ die antijĂŒdische Botschaft sich dem gebildeten Leser besser in
Form einer blutrĂŒnstigen Horrorgeschichte als durch die Darstellung von Hinder-
bachs Rechtspflege oder Simons wundertÀtigem Wirken vermitteln. Humanismus
hat nicht notwendigerweise etwas mit HumanitÀt zu tun.
Generisch lÀsst sich eine gewisse Vielfalt beobachten, wobei fast durchwegs
kleine Formen bevorzugt werden. Das liegt sowohl daran, dass es sich um anlassge-
bundene Agitationsliteratur handelt, die schnell rezipiert werden sollte, als auch da-
ran, dass fĂŒr die kleinen Druckereien dieser frĂŒhen Zeit der Druck lĂ€ngerer Werke
7 Sein Name taucht in dem 1495 in Tarvis entstandenen Gedichtmanuskript Mellon MS 22 der
Yale University auf; vgl. <http ://webtext.library.yale.edu/beinflat/pre1600.MELL022.htm> (25.6.
2012).
8 Vgl. Peuckert 1936 ; dazu, wie solche Details erfunden und tradiert werden, Treue 1996, 39â40.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Ć ubariÄ
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593