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Dichtung 81
Tirol und der
norditalienische
Humanismus
BCT, ms. 4952 :
Befund
Paulo de Fatis
Trilacos
Konzeptbuch
wird und dass er Rätselgedichte (scirpi) verfasst hat, wird nach einigem Nachdenken
klar, doch seine thebanischen Vögel werden uns wohl für immer dunkel bleiben.
Insgesamt ist die Dichtung Lagarinos in erster Linie als Zeugnis für den Prozess
von Interesse, in dem, vermittelt durch private und halbprivate Kontakte zwischen
verschiedenen Dichtern, in den Jahren um 1500 der südliche Teil Tirols allmählich
wieder am poetischen Humanismus Norditaliens zu partizipieren beginnt.
Fast zeitgleich mit der literarischen Tätigkeit Lagarinos muss eine Gedicht-
sammlung entstanden sein, die sich auf Bl. 1r–41v sowie auf drei vorhergehenden
unpaginierten Seiten (im Folgenden : [0a]–[0c]) des Codex BCT, ms. 4952 findet.
Der Text, der mit Ausnahme des ersten Gedichts ([0a]) von einer Hand stammt,
ist flüchtig geschrieben, weist Streichungen, Korrekturen, Interlinearversionen,
Randbemerkungen, möglicherweise auch Radierungen auf und hat zudem durch
Feuchtigkeit sehr gelitten. Ein Großteil ist nicht mehr zu entziffern, oft lassen sich
nicht einmal die Grenzen zwischen den einzelnen Gedichten mit Sicherheit aus-
machen. Deren Zahl dürfte bei etwa 69, ihre Länge zwischen zwei Versen und vier
Seiten liegen. Die allermeisten haben Titel, die mitunter den Namen des Autors
und in sicher gut 40, vielleicht noch mehr Fällen auch einen Adressaten nennen.
Das Metrum ist mit wenigen Ausnahmen (Hexameter, Hendekasyllabi) das Di-
stichon. Hinweise zur Datierung geben die Bemerkungen 1504 circa und 1506
circa auf [0a] und Bl. 1r oben, obwohl unklar ist, von wem sie stammen und wie
verlässlich sie sind.
Sieht man von dem Eröffnungsgedicht ([0a]) ab, das ja auch von anderer Hand
notiert ist, so ist der einzige Autor, der genannt wird, Paolo de Fatis Trilaco, dessen
Name sicher im Titel von carm. 2, 3 ([0b]– Bl. 2v), 30, 31, 32, 34 (Bl. 14r–16v) und
63 (Bl. 35rv) steht. Es fällt auf, dass diese Texte sich alle an bestimmte Adressaten
richten, dass die meisten von ihnen vergleichsweise lang sind und auch ihr Titel
recht ausführlich ausfällt. Dies legt zusammen mit dem beschriebenen Habitus der
Sammlung den Schluss nahe, dass es sich um das Konzeptbuch des genannten Au-
tors handelt, der bei einigen anspruchsvolleren unter den zum Versand gedachten
Gedichten auch den Titel in seiner vollständigen, eine Nennung seines Namens
umfassenden Form mitkonzipiert, in den restlichen Fällen nur einen Arbeitstitel ge-
setzt hat. Zu dieser Annahme passt der Umstand, dass das erste Gedicht, das nicht
von de Fatis (sondern von Paride Dardanio ) stammt, dafür an ihn gerichtet ist und
seine poetischen Fähigkeiten preist :10 ein Text, den man als Dichter nicht ungern
seinem poetischen Notizbuch voranstellt.
10 Es hat ein recht genaues Gegenstück in dem hendekasyllabischen „Gedicht des Paride Dardanio an
den überaus hervorragenden Rechtsgelehrten Paolo Trilaco“, das in BCT, ms. 4953, also im ‚Nach-
barcodex‘ des hier diskutierten, erhalten und ebenfalls auf 1504 circa datiert ist.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ãœberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593