Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Page - 174 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 174 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1

Image of the Page - 174 -

Image of the Page - 174 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1

Text of the Page - 174 -

174 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians  I. (1519) De visione Dei : Entstehung Neben der Entwicklung des Werks aus De complementis theologicis gibt es auch einen äußeren Anlass der Entstehung von De visione Dei. Cusanus hatte mit seinen bisherigen Schriften eine Alternative zur scholastischen Universitätsphilosophie ge- boten. Damit stieß er vielerorts auf Unverständnis und Ablehnung ; damit wurde er aber auch für jene interessant, die nach neuen geistigen Orientierungen suchten. Ein Beispiel hierfür sind die Mönche des reformwilligen Benediktinerklosters Te- gernsee in Bayern. Cusanus stand besonders mit Abt Kaspar Aindorffer und Prior Bernhard von Waging seit einiger Zeit in freundschaftlichem Briefkontakt. In der Tegernseer Gemeinschaft wurde damals wie in vielen religiösen Zirkeln des 15. Jhs., ausgehend von Autoren wie Dionysios Areopagita, Hugo von Palma oder Johannes Gerson, über das richtige Verständnis von Mystik diskutiert. Die Frage kreiste v.a. um den strittigen Punkt, ob zur mystischen Erkenntnis Gottes nur das Gefühl oder doch auch der Verstand nötig sei. Bernhard von Waging, selbst Verfasser mystischer Werke, hatte in seinem 1451 geschriebenen Laudatorium doctae ignorantiae („Lob der belehrten Unwissenheit“) Cusanus’ Ansätze zu einer Mystik gepriesen, die auf dem Verstand aufbaut. In die folgende Kontroverse schalteten sich neben den Te- gernseern u.a. der Melker Prior Johannes Schlitpacher für und der Aggsbacher Prior Vinzenz gegen Cusanus ein (vgl. Baum/Senoner 1998). Auf die Bitte der Tegernseer verfasste Cusanus schließlich De visione Dei und legte darin die Mystik mithilfe der Koinzidenzlehre aus. Das bedeutete auch eine Entscheidung für den Intellekt als notwendige (Vor-)Bedingung der Gotteserkenntnis. Das Werk sollte den Mönchen einen einfachen Zugang zu dieser Auslegung und zu Cusanus’ eigener Philosophie gewähren. Es wurde am 8. November 1453 in Brixen vollendet. Cusanus schickte es Kaspar Aindorffer zusammen mit einem eicona dei (vgl. praef. 2,132) genannten Bild, auf dem der Blick Gottes dem Betrachter überallhin zu folgen schien. Er vergleicht dieses Bild mit einer Reihe berühmter Gemälde, die alle mit demselben optischen ‚Trick‘ arbeiten, darunter auch die Darstellung eines Engels in der Hof- burg von Brixen, der das Wappen der Kirche hält (praef. 2,9–10 : Brixinae in castro angeli arma ecclesiae tenentis). Von dem mitgeschickten Porträt geht das Werk aus. Cusanus leitet die Mönche an, das Bild von verschiedenen Standpunkten aus zu betrachten und auf den immer mit ihnen mitgehenden Blick Gottes zu achten. Er versteht das Bild als Gleichnis dafür, dass Gott alles sieht. Sehen ist Gottes Wesen. So wird auch das griechische Wort für Gott (theós), von theoreîn („sehen“) abgeleitet (I,5,6). Dieses Sehen Gottes ist allerdings viel mehr als der menschliche Sehsinn. Es steht metaphorisch für Gottes allumfassendes Sein und Wirken. Das Sehen Gottes liegt vor allen verschiedenen Standpunkten. Es liegt hinter den Gegen- sätzen. Deren Zusammenfall wird als eine Mauer gedacht, die man überwinden muss, um zur Schau Gottes zu gelangen. Jedes denkende Wesen kann Gott erkennen, weil es
back to the  book TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1"
TYROLIS LATINA Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
TYROLIS LATINA
Subtitle
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
Volume
1
Authors
Martin Korenjak
Florian Schaffenrath
Lav Šubarić
Editor
Karlheinz Töchterle
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78868-3
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
602
Keywords
Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. Epochenbild (Josef Riedmann) 21
  3. Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
  4. Epochenbild (Lav Šubarić) 55
  5. Dichtung (Martin Korenjak) 66
  6. Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
  7. Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
  8. Biographie (Wolfgang Kofler) 123
  9. Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
  10. Musik (Lukas Oberrauch) 143
  11. Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
  12. Philosophie (Stefan Tilg) 167
  13. Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
  14. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
  15. Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
  16. Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
  17. Theater (Stefan Tilg) 266
  18. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
  19. Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
  20. Brief (Martin Korenjak) 335
  21. Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
  22. Philosophie (Stefan Tilg) 349
  23. Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
  24. Medizin (Lukas Oberrauch) 362
  25. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
  26. Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
  27. Dichtung (Martin Korenjak) 397
  28. Theater (Stefan Tilg) 436
  29. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
  30. Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
  31. Biographie (Florian Schaffenrath) 505
  32. Brief (Martin Korenjak) 517
  33. Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
  34. Philosophie (Stefan Tilg) 545
  35. Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
  36. Medizin (Lav Šubarić) 564
  37. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
  38. Farbtafeln 593
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
TYROLIS LATINA