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Rechtswissenschaft 199
stylus curiae
Ăśberblick
als Abschriften
kursierende
Gattungen
TraditionsbĂĽcher
Imbreviaturen,
Artes notariatus
ten Traditionen, d.h. fĂĽr die Aufzeichnung des einheimischen Rechts sowie fĂĽr
Traktate, die sich mit diesem beschäftigten, wurde meist die Volkssprache benutzt
(vgl. Polenz 1991–1997, Bd. 1, 214–216).
Stilistisch ist ein GroĂźteil der lat. Rechtsliteratur bis zu einem gewissen Grad
vom sogenannten stylus curiae („Kanzleistil“) geprägt. Hierunter versteht man das
förmliche, syntaktisch komplexe und vielfach gekünstelt wirkende Lat. der kai-
serlichen Ă„mter, das auch darĂĽber hinaus von vielen Juristen benutzt wurde (vgl.
Schröder 1979, 32–33). Die Verbreitung dieses Amtslatein gründet in der Tatsache,
dass mittelalterliche Urkunden gewisse formale Erfordernisse zu berĂĽcksichtigen
hatten, deren Nichtbeachtung mit Nichtigkeit sanktioniert wurde. Die Anleitun-
gen hierfür fanden sich in Artes dictandi („Handbücher des Schreibens“), die später
auch in Prozessordnungen rezipiert wurden.
Im Folgenden soll zunächst ein knapper Überblick über einige juristische Gat-
tungen gegeben werden, die im Tirol des späten Mittelalters als Abschriften kursier-
ten. AnschlieĂźend werden mit TraditionsbĂĽchern, Texten zum Notariatswesen, Sta-
tuten und Konsilien vier Genera juristischen Schrifttums vorgestellt, zu denen sich
im Land eigenständige Produktion nachweisen lässt. Danach kommen Werke zur
Sprache, die anlässlich zweier aufsehenerregender Ereignisse der Landesgeschichte
im 15. Jh. entstanden sind, nämlich des Streites zwischen Erzherzog Sigmund und
Nicolaus Cusanus sowie der Affäre um Simon von Trient.
Bei den Genera juristischer Texte, die im Tirol dieser Epoche im Umlauf
waren, ohne dass es zu eigener Produktion gekommen wäre, handelt es sich
großteils um Prozessualschriften mit Titeln wie Ordo iudiciarius („Prozessver-
lauf“) oder Processus iudiciarius („Gerichtsprozess“), um Stoffübersichten bzw.
-auszĂĽge (Summae) und um FormelbĂĽcher. Dabei kopierte man in erster Linie
Werke berühmter Vorgänger wie z.B. den Ordo iudiciarius des in Bologna leh-
renden Kanonisten Tancredus (1185–ca. 1235), die Summa de poenitentia („Zu-
sammenfassung über die Buße“) des Raymundus de Pennaforte aus Katalonien
(nach 1180–1275) oder die Lectura super arboribus consanguinitatis („Vorlesung
über Stammbäume“) des wiederum in Bologna wirkenden Johannes Andreae
(ca. 1270–1348) (vgl. Sprung 1904).
Zu den ältesten juristischen Gattungen, von denen wir aus Tirol selbst stam-
mende Beispiele besitzen, gehören sogenannte Traditionsbücher, d.h. Sammlun-
gen von Urkundenabschriften, die zumeist Klöster betrafen. Solche Kompilationen
haben sich insbesondere aus der Diözese Brixen erhalten, wo die in ihnen zusam-
mengetragenen Dokumente bis ins 10. Jh. zurĂĽckreichen (Redlich 1886 ; Wagner
1954).
Urkundensammlungen sind auch die fĂĽr Tirol seit dem 13. Jh. erhaltenen Im-
breviaturen (Voltelini/Huter 1899–1951), in denen Notare rechtsgeschäftliche Do-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593