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Dichtung 231
religiöse Poesie
Putsch,
Historia Iacobi
Cernui et ante tuum flexo praesepe iacemus
Cum bove cumque asino venerantes poplite numen.
Sieh, auch wir treten ĂĽber die fromme Schwelle des armen Bethlehem, folgen der Schar
der Hirten, wo sie uns den Weg weist, neigen uns tief und liegen auf dem Boden vor
deiner Krippe und verehren mit gebeugtem Knie gemeinsam mit Ochs und Esel deine
Göttlichkeit.
Im Anschluss an diese geistlich geprägte Schuldichtung sei nun die außerschuli-
sche religiöse Poesie behandelt. Sie ist vorwiegend narrativer Natur und besteht aus
Paraphrasen und Ăśbersetzungen biblischer, hagiographischer und legendenhafter
Stoffe. Dabei wird sie ganz von zwei Autoren dominiert, die für den größten Teil
der Texte verantwortlich zeichnen und dabei in einem Fall sogar zusammenarbei-
ten : Christoph Wilhelm Putsch und Paul Ottenthaler.5
Der bedeutende Historiker Christoph Wilhelm Putsch (vgl. hier S.Â
321) ist auch
als Dichter hervorgetreten. Sein ehrgeizigstes poetisches Werk ist die gut 1400
Verse lange, im elegischen Distichon gehaltene Historia divi Iacobi maioris apostoli
(„Geschichte des Hl. Jakob des Älteren, des Apostels“), die er 1565 in Innsbruck
herausbrachte. Sie behandelt wohl nicht zufällig einen Heiligen, der als Patron der
Stadtpfarrkirche am Druckort groĂźe Verehrung genoss. Gewidmet ist das Gedicht
Johann Jakob von Kuen-Belasy, dem aus Tirol stammenden FĂĽrstbischof von Salz-
burg, wobei, wie im Widmungsbrief (Bl. Aiir–Aivv) angegeben, die Namensgleich-
heit, aber auch der geistliche Stand des Adressaten eine Rolle spielten (Bl. Aiiir). In
diesem Widmungsbrief (dem noch eine kurze Lobeselegie eines Wolfgang Jenpa-
cher an den Autor vorangeht : Bl. Av) gibt Putsch sich auch sonst auskunftsfreudig.
Wir erfahren dort u.a., dass er Kuen-Belasy noch nicht kennt (Bl. Aiir), dass die
Historia sein erstes poetisches Werk ist (Bl. Aiiv, Aivr – das stimmt aber nicht),6 dass
er sich um einen schlichten Stil (stili simplicitatem) bemĂĽht und seine wichtigsten
Vorbilder in spätantiken Bibeldichtern wie Prudentius, Iuvencus und Sedulius sieht
(Bl. Aiiiv). Vor allem aber betont er – auch hier ganz Historiker – die geschichtli-
che Zuverlässigkeit seines Berichtes und zählt gewissenhaft sämtliche Autoren auf,
aus denen er seine Informationen bezieht (Bl. Aiiiv–Aivr). Seine wichtigste Quelle
neben den nicht eigens genannten Evangelien und der Apostelgeschichte ist Abdias
von Babylon, der fiktive Autor einer tatsächlich wohl erst um 900 entstandenen
Historia certaminis apostolici („Geschichte des Kampfs der Apostel“) in zehn Bü-
chern mit einer Neigung zum Phantastischen und Spektakulären (CE 1, 30–31) : Er
5 Die Sapientia Salomonis des Gerhard de Roo wird unten im Abschnitt ĂĽber Panegyrik behandelt.
6 Bereits 1563 hat er eine Hochzeit in Ingolstadt bedichtet.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593