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Dichtung 257
Gedichte auf
Philippine Welser
Hochzeitsgedicht
fĂĽr Ferdinand
Bedeutung guter Erziehung illustrierende Fabel von zwei Welpen, von denen der
eine ein tĂĽchtiger Jagdhund, der andere ein verfressener KĂĽchenhund wird, bietet
willkommene Abwechslung (Bl. 4v–5r). In einem Katalog antiker Dichter und Den-
ker von niederer Geburt, die es aufgrund ihrer intellektuellen Anstrengungen weit
gebracht haben (Bl. 6rv), verschiebt sich die Bedeutung von nobilitas, dem Zentral-
begriff des Gedichts, von „Adel“ hin zu „Berühmtheit“ und der Verfasser, dessen
AusfĂĽhrungen bisher ganz auf seinen Adressaten zugeschnitten waren, scheint ĂĽber
seine eigene Lage und seine Aussichten nachzudenken. Beides kommt im Schluss-
teil (Bl. 7v–8r) zusammen, wo er Ferdinand als Ausbund aller Tugenden preist und
ihn zugleich nochmals um UnterstĂĽtzung bittet.
Der in diesem Kapitel bereits als Panegyriker FerdinandsÂ
I. erwähnte Georg Ro-
ner lässt auf seine Rede auf den Tod der Philippine Welser (vgl. hier S. 288–290)
noch eine Reihe von Gedichten in elegischen Distichen und Hexametern folgen
(Bl. Iiir–Kivv) : ein Gespräch der Verstorbenen mit ihren beiden Söhnen Andreas
und Karl, einige Epitaphien und Chronogramme, ein Prosaepitaph, ein Epikedion
und – seltsamerweise – zwei Weihnachtsgedichte mit Akro- und Telesticha, welche
die Namen der Söhne ergeben. Konzeptionell bemerkenswert ist das erste Stück
(Bl. Iiirv) : Philippine wird von Andreas’ und Karls Klagen an ihrem Grab aus der
Totenruhe geweckt und fĂĽhrt diese in einem dramatischen Dialog, bei dem sie
sich Distichon fĂĽr Distichon mit ihnen abwechselt, von der Verzweiflung ĂĽber
ihren Verlust zur Freude ĂĽber ihr glĂĽckliches Schicksal im Jenseits. Das 120 Verse
lange, ebenfalls in Distichen gehaltene Epikedion (Bl. Kiv–Kivr) geht (wie schon
die Leichenrede selbst) zumindest punktuell auf Philippines außergewöhnliche
Persönlichkeit ein. So wird sie eine foemina consiliis dandis subtilis et acris (V. 39 ;
„im Erteilen von Ratschlägen präzis denkende, scharfsinnige Frau“) genannt und
ihre FĂĽrsorge fĂĽr Arme und Kranke hervorgehoben : Quin aluit propriis impensis
pharmacopolam, / Qui miseris aegris semper adesset ope (V. 46–47 ; „Sie stellte sogar
auf eigene Kosten einen Apotheker an, der den elenden Kranken stets hilfreich
beistehen sollte“).
Als Ferdinand dann 1582, zwei Jahre nach Philippines Tod, in zweiter Ehe Anna
Caterina Gonzaga heiratete, besang ein Johannes Leucht, Pfarrer im vorderöster-
reichischen Delmissingen bei Ehingen, dieses festliche Ereignis im Auftrag des
Hofkanzleisekretärs Paul von Zechendgrueb Zehendtner in einem Epithalamium
heroicum […] („Hochzeitsgedicht im heroischen Versmaß […]“, ÖNB, Cod. ser.
nov. 2666 ; Korenjak 2002). Das eigentliche Thema erscheint dabei, wie das bei
Epithalamien und anderen panegyrischen Gedichten der Zeit nicht selten der Fall
ist (vgl. hier S. 244–246), in eine Rahmenhandlung eingebettet, in welcher der
Dichter mit einer Schreibblockade kämpft :
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593