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296 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog FerdinandsÂ
II. von Tirol (1595)
erste
Eröffnungsrede
Vorbilder
fĂĽr arme SchĂĽler
zweite
Eröffnungsrede Die auf Bl. 2r–5r stehende erste Rede zum Schuljahresanfang mit dem Titel De
utilitate et praemiis bonarum artium oratio […] („Rede von Nutzen und Lohn der
Bildung […]“) figuriert, was außergewöhnlich ist, unter dem Namen ihres Autors
und trägt ein genaues Datum : Sie stammt von einem nicht näher bekannten Jakob
Freinger (o.ä.) und wurde am 6. 10. 1581 gehalten. Anders als der Titel vermuten
lässt, wird die utilitas kaum behandelt, die praemia dafür umso ausführlicher :
Isokrates hat sich beklagt, dass geistige Leistungen zu wenig belohnt würden – dabei zie-
hen sie doch von selbst höchsten Lohn, z.B. Ruhm, nach sich. Eigentlich sollte man sich
als SchĂĽler deshalb viel mehr anstrengen, als das der Fall ist. Thema der Rede sind die
Ehrungen, die der Bildung überall zuteil werden ; ihre Dignität und das Vergnügen, das
sie gewährt, sollen übergangen werden (Bl. 2rv). Dass der Bildung Ehre erwiesen wird, ist
eine anthropologische Konstante (Bl. 2v–3r). Aristoteles meint zu Recht, die Gebildeten
unterschieden sich von den Ungebildeten wie die Lebenden von den Toten (Bl. 3r). Immer,
besonders in der Antike, sind niedrig Geborene durch ihre Bildung steil aufgestiegen und
von den Mächtigen geehrt worden (Bl. 3r–4v). Dass ein solcher sozialer Aufstieg zu Recht
erfolgt, belegen verschiedene Aussprüche sowie das Beispiel des Sokrates (Bl. 4v–5r). Man
bemĂĽhe sich deshalb entschlossen um seine Studien (Bl. 5r) !
Auffällig ist an dieser Rede v.a. der Umstand, dass die niedere Herkunft vieler In-
tellektueller so stark betont wird. Er entspricht der Tatsache, dass die Jesuiten wie
anderswo so auch in Innsbruck zahlreiche arme SchĂĽler unterrichteten, die sich
zudem als überdurchschnittlich tüchtig erwiesen (Duhr 1896, 46–47 ; Lechner
1907–1914, Teil 4, 115–116, 124–136). Dieser Teil der Hörer konnte sich in intel-
lektuellen Selfmademen wie den genannten wiedererkennen und in ihnen Vorbil-
der fĂĽr den erhofften eigenen Aufstieg sehen.
Unter dem Jahr 1584 steht auf Bl. 87v–95r die Oratio in studiorum renovatione
de amore et labore singulari ad eruditionem adhibendo (adhibenda Hs.; „Rede bei der
Wiederaufnahme der Studien ĂĽber die auĂźerordentliche Liebe und MĂĽhe, die man
der Bildung entgegenbringen muss“) :
Warum ist halb Innsbruck im Jesuitengymnasium versammelt ? Weil die alljährliche Preis-
verleihung stattfindet. Der Redner wird ĂĽber zwei Themen sprechen : die Liebe zu den
Studien und die Arbeit, die man in sie investieren muss (Bl. 87v–88v). Gott hat der Seele
des Menschen ihre Fähigkeiten deshalb verliehen, damit dieser sich den Studien widmen
kann (Bl. 88v–89r). Schon die heidnischen Philosophen haben hierin ein leuchtendes
Beispiel gegeben (Bl. 89rv). Die Liebe zur Bildung ist wie ein Feuer, das, richtig genährt,
hell emporlodert (Bl. 89v–90r). Alle Völker haben sie hochgehalten, was sich durch antike
Beispiele belegen lässt (Bl. 90r–91v). Auch die Innsbrucker Notabeln sind heute hier ver-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593