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115Konflikte
um die Nationalisierung
parteipolitische oder gesellschaftliche (usw.) Konfliktlinien national mar-
kiert und beschrieben wurden – auch in einer Region wie Istrien, wo die
Selbst- und Fremdwahrnehmungen ethnisch-national gesehen, wie im Falle
von Don Corazza zu betrachten war, stark variierten oder sich überlappten.
Damit wird freilich nicht die Präsenz nationalpolitischer Konfliktpotenziali-
tät verneint. Im Gegenteil: Die lokale Ebene war von ethnischen Differenzen
und dem diesbezüglichen Bewusstsein der Menschen geprägt. In den kon-
kurrierenden Ansprüchen – etwa hinsichtlich der Liturgiesprache oder der
Person des Priesters
– artikulierten sich aber vielmehr die soziale Emanzipa-
tion der ländlichen (meist südslawischen) Bevölkerung oder der Machterhal-
tungswille der herrschenden (meist italienischsprachigen) Elite.
3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien
Nachdem einige Beispiele an Konflikten aus dem lokalen Kirchenleben istri-
anischer Ortschaften – von der Halbinsel und den Kvarner-Inseln – geschil-
dert wurden, wird die Kontextualisierung dieser Fälle angestrebt. Wieso
wurden die Konfliktgründe sowie die Konfliktparteien national markiert?
Welche Frontlinien versteckten sich hinter den nationalistisch wahrgenom-
menen und wahrnehmbaren Positionen einiger Priester und Kirchgänger?
In diesem Unterkapitel werden daher Tendenzen herausgearbeitet, die in den
geschilderten Fällen anzutreffen waren bzw. die die Gründe der Nationali-
sierung der Konflikte erklären können: (1) soziale Emanzipation der süd-
slawischen Bevölkerungsteile, was eine Herausforderung für die bisherigen
Machtpositionen der italienischsprachigen Elite darstellte; (2) Zuwanderung
bäuerlicher Elemente in die Städte, was die ethnisch-nationale Heterogeni-
tät urbaner Räume – und auch der dortigen kirchlichen Räume – erhöhte
und somit einen nationalistisch bedienten »Stadt«-»Land«-Konflikt ermög-
lichte; sowie (3) unterschiedliche politische Einstellungen der italienisch-
sprachigen (nur weltlichen) und der kroatischsprachigen (oft klerikalen)
Elitenakteure, was eine Gleichsetzung nationaler Gegensätze (»italienisch«
vs. »kroatisch«) mit politischen Meinungsgegensätzen (»liberal« vs. »kle-
rikal«) ermöglichte. Diese letzte Tendenz kam sowohl den nationalistisch
eingestellten, südslawischen Klerikalen als auch den nationalistisch einge-
stellten, italienischsprachigen Antiklerikalen zugute. Gleichzeitig verinner-
lichten sogar italienischsprachige Klerikale dieses vorherrschende Vokabu-
lar, in dem kirchenpolitische Positionen (»klerikal«, »antiklerikal«) national
markiert wurden (»kroatisch«, »italienisch«). All diese Tendenzen erzeugten
ein gesteigertes Konfliktpotenzial, das infolge lokal verwurzelter, persön-
licher, unpolitischer Streitigkeiten oder Missstände aktiviert und bedient
werden konnte.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303