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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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161Kirchenstreit im ländlichen Hinterland engen Röcke anprangerte, blieben viele Dorfbewohner der Kirche fern. Die örtliche Bezirkshauptmannschaft bemerkte dabei, dass jede erzkonservative, die Sexualmoral betreffende Predigt »bei verrohtem Volke«, »bei der locke- ren Moralität in Ricmanje« als Angriff empfunden werde.337 Auf der lokalen Ebene war die Stimmung weiterhin in der Kirchenge- meinde zwischen den Menschen und ihren Priestern schlecht  – nur das mak- ropolitische Interesse ließ nach. Die Konflikte nach 1910 / 1911 erreichten nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die Konfliktgeschichte davor, als sich die lokale Angelegenheit in kirchen- und nationalpolitische Makrodiskurse einbetten ließen. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen Nach der Darlegung der Konfliktgeschichte in Ricmanje, versuche ich im folgenden Unterkapitel, die unterschiedlichen Konfliktebenen jenseits der öffentlichen Wahrnehmung und Inszenierung des Konfliktes herauszuar- beiten. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wogegen sich die Ereignisse im Dorf richteten. Der Konflikt in Ricmanje dauerte mehr als zehn Jahre  – zumindest stand das Dorf so lange im medialen Rampenlicht des öffentlichen Interesses. Viele Erzählungen fokussierten dabei auf ein einziges Konfliktmoment: die For- derung nach muttersprachlichen Gottesdiensten. Herausgerissen aus ihrem lokalen Kontext wurde diese Forderung für die starre These eines nationalpo- litisch gespaltenen Kirchenlebens herangezogen. Dabei wurde sogar behaup- tet, dass Ricmanje gegen eine angebliche »Italianisierung« des Kirchenlebens Widerstand geleistet habe. Der böhmische Priester und Publizist, Rudolf Vrba, meinte 1903 etwa, dass »[d]er Name »Ricmanje« sich allmälig als Fach- bezeichnung für den Widerstand gegen die Italianisierung der katholischen Kirche im Küstenlande ein[bürgert].«338 Vrba projizierte nationale Gegen- sätze (und damit nationale Kategorien) in den Konflikt hinein, die objektiv in einem homogen slowenischsprachigen Dorf nicht vorhanden waren und sein konnten. Diese Darstellung war aber typisch auf der makrogeschichtli- chen Ebene: Ricmanje galt in diesen Diskursen als Beispiel für eine angeb- lich national-ethnisch gespaltene katholische Kirche auf der lokalen Ebene. Zwischen 1900 und 1910 war der Name des Dorfes nicht nur in den größe- ren österreichischen und ungarischen Blättern, sondern auch in diplomati- 337 Ebd. 338 Rudolf Vrba, Oesterreichs Bedränger. Die Los-von-Rom Bewegung. Studien über politische, religiöse und sociale Zustände der Gegenwart, Prag 1903, S.  395.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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