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203Konflikte
im Bistum Senj
südslawischen, nationalen »Erwachens« besser entsprechen können als der
Katholizismus.
Demnach kann die lokale Angst vor einer »Serbisierung« nicht nur auf
antiungarische Gefühle, sondern auch auf die Ablehnung jugoslawischer
Ideen unter dem Volk zurückgeführt werden. Auch der nationalpolitisch
motivierte Hass auf den vermeintlich madjaronen Don Kovačić in Perušić139
kann insofern keinesfalls als alleinige Ursache der Aufstände herangezogen
werden: Es war eher eine lokale Bedingtheit, die dem kroatisch-nationalisti-
schen Diskurs als Ausrede zugutekam. Die altslawische Liturgiesprache war
nicht die Forderung der ungarnfreundlichen kroatischen oder der serbischen
Öffentlichkeit, insofern kann auch ihre Ablehnung nicht als antiungarischer
oder antiserbischer Protest verstanden werden.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die nationalistische Öffent-
lichkeit mit den Aufständen nicht gut umgehen konnte. Dieselben Dorfbe-
wohner galten mal als zu belehrende, national indifferente Fälle, und mal als
Bauern, die sich nicht gegen die altslawische Liturgiesprache, sondern die
serbische (orthodoxe) Bevölkerung bzw. die ungarnfreundliche Regierung
aufgelehnt hätten. Diese Erklärungen, die sich einander klar widersprachen,
zeigten die mentale Ferne zwischen den städtischen Diskursen und den länd-
lichen Realitäten. Meiner These nach lassen sich die ländlichen Konflikte
daher nicht in der Dichotomie »nationale Indifferenz oder exklusiver Nati-
onalismus« verstehen. Diese Bezeichnungen wurden der lokalen Ebene von
außen her aufgedrückt. Der Widerstand gegen die altslawische Liturgiespra-
che erklärt sich vielmehr als Abwehrmoment einiger Gemeinden, die sowohl
ihren katholischen Glauben als auch ihre kroatische »Identität« eigensinnig
leben und praktizieren wollten. Die Dorfbewohner verorteten sich jenseits
des Lagerdenkens der elitären Diskurse. Sie wehrten sich gegen jegliche Ein-
mischungen, egal ob diese die lokale Ebene belehren (wie etwa im Falle von
Kriviput) oder für einen antiserbischen-antimagyarischen Nationalismus
preisen wollten (wie etwa im Falle von Perušić).
4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache
als nationales Thema
Der Konflikt in Lika-Krbava entstand infolge der altslawischen Liturgie-
sprache: Während die Makroebene über die Einführung diskutierte
– Buda-
pest war dagegen, die nationalistischen und viele kirchliche Akteure dafür
(Kapitel 2.2.2) –, lehnte die lokale Ebene jegliche Veränderung ab. Die alt-
139 Darüber berichtete auch der Bezirksvorsteher in Perušič (3. September 1894), in:
HDA, ZV, Pr., 1962/1894, broj 5906.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303