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174 Ungarisch-Kroatisches Küstenland
der ungarischen Hafenstadt – wo die Fallbeispiele herkommen – wurden bis
jetzt nur sporadisch in lokalgeschichtlichen Studien erfasst. Ich stütze mich
primär auf bisher kaum erfasste Quellen-Korpora. Zum einen benutze ich
die zeitgenössischen (italienisch-, kroatisch-, ungarisch- und deutschspra-
chigen) Zeitungsartikel, in denen der nationalistische Diskurs bezüglich des
kirchlichen Raumes und der innerkatholischen Konflikte zum Ausdruck
kam. Diese Berichte werden zum anderen mit den Polizei- und innerkirchli-
chen Berichten und Korrespondenzen, einem ebenso bis jetzt fast unberühr-
ten Quellencorpus, konfrontiert.
4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache
im Bistum Senj
4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache
in der ehemaligen Militärgrenze
An einem Sonntag Ende Mai 1894 blickten sich die Menschen in der Kirche
von Kriviput, einem größeren Dorf in der Nähe des Bischofsitzes Senj, ver-
wundert und entsetzt an. Die Messe wurde in einer anderen Sprache gelesen,
als sie es gewohnt waren. Besonders bei dem Gebet »Vaterunser« wurde es
in der Kirche plötzlich unruhig. Als der Priester für »unser Brot« betete, das
täglich gegeben werden solle, benutzte er nicht wie bislang das kroatische
Wort »kruh«, sondern ein anderes: Er sagte »hleb«, was auf Serbisch Brot
heißt. Einige Wörter der sog. altslawischen Sprache waren mit den serbi-
schen identisch. Dass der Pfarrer die Messen in dieser alten Sprache zu lesen
hatte, war ihm und anderen römisch-katholischen Pfarrern der Gegend erst
kürzlich bischöflich angeordnet worden. Die Menschen reagierten trotzig:
Als der Priester für »naš hleb« (»unser Brot«) betete, antworteten sie ihm »naš
kruh«. Auch am Ende des Gebetes, als der Priester »Dein Reich« auf Serbisch
(eigentlich auf Altslawisch) heraufbeschwor (»carstvo Tvoje«), sagten die
Menschen es dennoch auf Kroatisch: »kraljstvo Tvoje«.12 Ähnliche Szenen
hatten sich zuvor in Lipice, einem kleineren Dorf in der Nähe, abgespielt.13
(1868–1881) im ungarischen Kontext, in: Laurence Cole
u. a. (Hg.), Glanz
– Gewalt
–
Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie (1800 bis 1918),
Essen 2011, S. 153–176.
12 Über die katholische Messe am 29. Mai 1894 im Dorf Kriviput siehe den Bericht
der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (29. Mai 1894), in: Hrvatski
Državni Arhiv, Zagreb (Kroatisches Staatsarchiv, weiter: HDA), Zemaljska Vlada,
Predsjedništvo 1869–1921 (Landesregierung, Präsidium; weiter: ZV, Pr.), kutija
(kut.) 487, 1962/1894, broj (Nr.) 2845.
13 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) in Brinje (6. Juni 1894), in: Ebd.,
broj 20/Pr.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303