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viele Emigranten als Fulbright Lecturers zurück ins Land kriegen, die während des
Krieges und danach in den USA Karriere gemacht hatten, und denen gegenüber
man ob ihrer wissenschaftlichen Erfolge im Ausland Minderwertigkeitskomplexe
hatte. Sie wurden als lästige Konkurrenten empfunden, die mit ihren neuen empi-
rischen Methoden, etwa in den Sozialwissenschaften, den Rückstand der österrei-
chischen Wissenschaft bloßzulegen drohten. Wenn sie Juden waren, kam noch ein
schlechtes Gewissen hinzu, verdankten doch nicht wenige der heimischen, vor und
während der nationalsozialistischen Zeit berufenen Ordinarien ihre Professur dem
Ausschluss bzw. der Vertreibung der jüdischen Kollegen.
Kein Wunder, dass die amerikanischen Gäste im Universitätsbetrieb nicht nur
oft ignoriert, wenn nicht gar persönlich geschnitten wurden, sondern ihre Vor-
lesungstätigkeit in den ersten Jahren sogar aktiv behindert wurde. Der bedeutende
Princeton-Historiker Eric Goldman, der 1953–1954 an der Universität Wien hätte
unterrichten sollen, gab nach wenigen Wochen auf und kehrte der unfreundlichen
Wiener Universität den Rücken. Hier steht nicht nur der Vorwurf einer intellek-
tuellen Scheu und Bequemlichkeit der heimischen Lehrstuhlinhaber, sondern das
Odium des hintergründigen Antisemitismus und Antiamerikanismus im Raum,
der Teil des mentalen „professoralen Corpsgeistes“ der Nachkriegszeit war. Dies ist
ein treffendes Bespiel dafür, dass in der Amerikanisierung Nachkriegsösterreichs
nicht alles glatt nach der Vorstellung der amerikanischen Diplomatie ablief. Wäh-
rend die jungen Leute die amerikanische Populärkultur mit Begeisterung rezipier-
ten, wie Reinhold Wagnleitner in seinen Forschungen zu diesem Thema festgestellt
hat, setzte die alte Garde, die vor und während der autoritären/nationalsozialis-
tischen Zeit sozialisiert worden war, an allen Ecken und Enden amerikanischen
Beeinflussungsversuchen Widerstand entgegen.
Königs tiefschürfende Untersuchung dieser Wissenschaftslandschaft zeigt Ver-
werfungen, die am Ende mehr Fragen aufwerfen als dieses kluge Buch beantworten
kann. Die Studie deutet an, dass ab den späten 1950er Jahren die Fulbright-Gast-
professoren besser behandelt wurden. Ihre Vorlesungen wurden im Vorlesungs-
verzeichnis angekündigt und oft hielten sie ihre Vorträge in überfüllten Hörsälen.
Die Studenten fanden die frische „unösterreichische“ Art, in Lehrveranstaltungen
nicht feststehende Narrative sprichwörtlich vorzulesen, sondern in Diskussionen
die Kontingenz wissenschaftlicher Inhalte aufzuspüren, offensichtlich äußerst anre-
gend – dafür gibt es viele persönliche Zeugnisse. In den Anfangsjahren des Pro-
gramms war das nicht immer der Fall.
Mit der Übergabe einer Tranche von ERP-Mitteln an die Fulbright Commission
in Wien im Jahre 1962, die auf Grund des Druckes des US-Botschafters zustande
kam, sicherte sich das Programm eine weitere langfristige Finanzierung und ope-
riert heute noch teilweise auf dieser finanziellen Grundlage. Königs Buch weckt
Appetit auf weiterführende Studien. Wie entwickeln sich die Fulbright-Studenten-
und Professoren-Austauschprogramme nach 1964? Inwieweit tragen die österrei-
chischen Fulbright Grantees, die in den 1950er und 1960er Jahren Stipendien in
den USA hatten, nach ihrer Rückkehr und Bestellung auf Professuren zur Öffnung
der heimischen Universitätslandschaft bei? Sind das die Reformer der 1970er Jahre,
die in Kreiskys Experten-Gremien und an den Firnberg’schen Universitätsreformen
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117