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20 Als Zeitraum für die vorliegende Untersuchung bieten sich die Jahre zwischen
1950 und 1964 an. Im Oktober 1950 trat die Fulbright Commission erstmals
zusammen, um die Planung für den Austausch von jährlich rund 100 Personen
zwischen Österreich und den USA aufzunehmen; davon waren jährlich circa 20
bis 25 ausgebildete Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, rund fünf Lehrer-
Innen, und der Rest Studierende. 1963/64 trat das Counterpart Settlement Agree-
ment in Kraft, mit dem in einem weiteren Abkommen die Finanzierung und orga-
nisatorische Durchführung neu geregelt wurde.22
Der Zeitraum ist nicht nur aufgrund der organisatorischen Kontinuität des
Programms sinnvoll. Er entspricht auch einer Phase der Wissenschafts- und
Hochschulpolitik in der Zweiten Republik, eingespannt zwischen dem Ende der
Entnazifizierungen an den Hochschulen (Fleck 1996) und dem Beginn einer
grundlegenden Reformphase in der Wissenschaftspolitik (König 2010a; Kreutz/
Högl 1994). Auf den ersten Blick zeichnet sich diese Phase durch einen bemer-
kenswerten Stillstand aus: Unter der politischen Zielsetzung des wirtschaftlichen
Wiederaufbaus und dem komplizierten Interessenausgleich zweier einander miss-
trauisch beäugender politischer Lager hatte Wissenschaftspolitik keine Priorität
(Bessenyei/Melchior 1996, 173). Das wissenschaftliche Feld war aufgrund der
„Arisierung der Gebildeten“ (Fleck 2004), also der Vertreibung eines großen Teils
seiner Intelligenz erheblich geschwächt. Dazu kamen die organisatorische Rück-
ständigkeit und die geringe Ausdifferenzierung des wissenschaftlichen Feldes. All
das wirkte sich ausgesprochen negativ auf die Qualität der Wissensproduktion aus
(Preglau-Hämmerle 1986, 197ff).
Vor diesem spezifischen Hintergrund ist die Rolle des Fulbright Program in
Österreich zu analysieren. In Kapitel 2 wird die Implementierung des Programms
in Österreich geschildert. Darüber hinaus wird das institutionelle Gefüge des wis-
senschaftlichen Feldes betrachtet, um bewerten zu können, wie sich die Fulbright
Commission (die lokale Administrativeinheit des Programms) darin einpasste.
Durch einen Vergleich mit anderen, ähnlichen Einrichtungen im Feld können
wir zunächst die organisatorischen Stärken der Kommission deutlich machen. In
Kapitel 3 werden die Ideologie der Autonomie sowie die ständische und hierar-
chische Struktur der Ordinarienuniversität näher betrachtet. Da es auch hier der
Kontextualisierung bedarf, führt die Analyse wiederum über die Betrachtung des
US-Visiting Lecturers-Austauschs im Fulbright Program hinaus.
Damit wird v. a. der teilweise starke Widerstand der entscheidungsbefugten
Wissenschaftlergremien nachvollziehbar, dem wir in den folgenden Kapiteln
begegnen. Kapitel 4 beschäftigt sich mit Funktionen und Aufgaben von Gastpro-
fessuren und analysiert die Verfahrensweise bei der Rekrutierung solcher wissen-
schaftlicher Gäste. Es wird deutlich, dass das Fulbright Program einen entschei-
denden Wechsel in der Logik dieser Verfahrensweise vorsah, indem der formale
Entscheidungsprozess bei der Feststellung der Qualifikation der BewerberInnen
um einen Fulbright Grant in den Vordergrund rückte. Die Vorgänge bei der Aus-
wahl, der Platzierung und der Verwendung (Selection, Placement and Utilization)
der amerikanischen Gäste stehen im Mittelpunkt von Kapitel 5. So sah das Ful-
bright Program gerade in dieser Kategorie inhaltliche Schwerpunkte auf die Wis-
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117