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30 mals statisch. So treten verschiedene und einander entgegengesetzte Interessen
auf, entwickeln sich diskursive Hegemonien, suchen Wissenschaftsinnovationen
nach Etablierung. Die wissenschaftlichen Einrichtungen und Institutionen bilden
gewissermaßen die Realisierung dieser verschiedenen und widerstrebenden Inte-
ressen ab.
Das wirft die Frage auf, wie sich der Wissenschaftsbetrieb – also die Gesamtheit
dieser Institutionen und Einrichtungen – während des Untersuchungszeitraums
entwickelt hat und welche Hierarchie wir feststellen können, um die Fulbright
Commission darin zu verorten. In einem frühen Aufriss wurden österreichweit
insgesamt 312 Forschungseinheiten ausgewiesen (Grill/Hölzenbein 1952):Neben
insgesamt 58 Instituten an Hochschulen waren darunter auch noch weitere 90 vom
Bund bzw. von den Ländern finanzierte Versuchsanstalten (darunter die altehr-
würdige Geologische Bundesanstalt sowie die eben erst gegründete Bundesver-
suchs- und Forschungsanstalt Arsenal) sowie insgesamt 164 private Anstalten.32
Sieben Jahre später hatte die Gesamtzahl der Forschungseinrichtungen um rund
17 Prozent zugenommen (Pietsch 1958, 38ff).33 Rund die Hälfte bis zwei Drittel
dieser Einrichtungen waren in Wien angesiedelt. Dieser amtsösterreichisch als
„Technisches Versuchs- und Entwicklungswesen“ (Dallinger 1957, 118) bezeich-
nete Bereich umfasste nur die technische und naturwissenschaftliche Grundla-
gen- und Anwendungsforschung sowie die Mess-, Prüf- und Entwicklungsarbeit
im Bereich der Gewerbe- und Industrieforschung.
Nicht zu vergessen waren auch Forschungseinrichtungen in gesellschafts- und
geisteswissenschaftlichen Bereichen: Dazu gehörten Bundesanstalten wie das
Österreichische Statistische Zentralamt, das „alle statistischen Erhebungen über
Tatsachen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens“ zu besorgen hatte,34
Einrichtungen anderer Behörden wie etwa die wirtschaftspolitischen Abteilun-
gen der Arbeiterkammern und private Vereine wie das Institut für Wirtschafts-
forschung (Seidel 1973, 22ff). Weiter zählten dazu eher politik- bzw. parteinahe
Einrichtungen, die man heute vielleicht als Think Tanks bezeichnen würde, wie
das Österreich Institut und das Institut für Sozialpolitik und Sozialreform, das
der christlichen Arbeiterbewegung nahestand. Insgesamt nahm gerade die Zahl
solcher sozialwissenschaftlicher Einrichtungen während des Untersuchungszeit-
raums stark zu (Knorr/Haller/Zilian 1981, 83).
Eine lange Tradition hatten oftmals die unzähligen Vereine, die sich der För-
derung einer Wissenschaftsdisziplin oder einer wissenschaftlichen Aufgabe wid-
meten und deren schöngeistige Zielsetzungen oftmals der Verankerung in einem
breiteren gesellschaftlichen Kontext dienten. Die Ausdifferenzierung des Feldes
produzierte aber auch Einrichtungen, die mit wissenschaftlicher Forschung oder
Lehre allenfalls noch indirekt zu tun hatten. Interessenvertretungen beanspruch-
ten, die Anliegen ihrer Mitglieder – verschiedene wissenschaftliche Verbände
oder bestimmte Berufsgruppen – zu vertreten. Staatlicherseits zählten dazu die
Rektorenkonferenz, der Akademische Rat, die UNESCO-Kommission (ÖUK)
sowie die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH).35 Vereinsrechtlich organi-
siert waren Standesvertretungen wie die Arbeitsgemeinschaft für Kunst und
Wissenschaft, der Zentralrat der Österreichischen Wissenschaft, der Verband
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117