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ihren Lehrern, also auf Tradition und Charakter.“ (Meister 1957, 232) Die Tradi-
tion der Universität verankerte er in „jener grossen geistigen Bewegung, welche
mit der Ausbildung der Methode der Dialektik im Gefolge der geistigen Kämpfe
des Investiturstreites und des Abendmahlstreites“ (Meister 1953, 1) stattgefunden
hätte. Meister sah in der Universität diverse „historische Prozesse“ walten und ver-
wies dabei nicht nur auf die mittelalterlichen Universitätsgründungen, sondern
gab dem Ganzen unter Verweis auf die „Theresianisch-Josephinische Reform“
sowie die „Thun’sche Universitätsreform“, die im ausgehenden 18. bzw. Mitte des
19. Jahrhunderts stattgefunden hatten (ebd., 2ff),12 auch ein spezifisch österreichi-
sches Kolorit. Wir können uns lebhaft den tosenden Applaus vorstellen, als Meis-
ter seine Inaugurationsfeier zum Rektor der Universität Wien mit den folgenden
Worten beschloss:
„Dreimal in der Geschichte des europäischen Geistes ist die Universität
neugeschaffen worden, und jedesmal aus dem Geiste der Wissenschaft. –
Das erstemal durch die Schule des Aristoteles […]. Das zweite Mal durch
die Universitäten des Mittelalters […]. Das dritte Mal, als die neuzeitliche
Philosophie und Wissenschaft […] in die philosophischen Fakultäten ein-
zogen und Geist und Weg der künftigen Universität […] bestimmt wurde.
In dieser Linie der Entwicklung steht die österreichische Universitätsre-
form von 1849. Daß sie aus dem Geiste der Wissenschaft geschaffen wurde
und daß die Universitäten diesem in Wahrheit und Reinheit ihres Wollens
zu dienen haben, das ist die große Lehre der Reform und der unvergäng-
liche Besitz, der uns durch sie geworden ist.“ (Meister 1949, 98)
Was nun den Charakter betraf, so spielte Meister damit nicht unbedingt nur auf
die Hochschullehrer als konkrete Personen an, sondern meinte allgemeiner alle
„Förderungen der reinen Intention auf Erkenntnis und [die] Ausschließung jegli-
cher anderer Motive“ – „das Merkmal der Objektivität der Wissenschaft“ (Meister
1957, 224). Diese Objektivität stelle die „Grenze der Wissenschaftlichkeit“ dar, an
der sich alle Wissenschaft zu messen habe (ebd., 225). Das Hehre, Wahre dieser
Wissenschaft, das Meister dabei beschwor, brauchte freilich ein Gegenüber – was
Meister zurückhaltend die „Beimischung anderer Zwecksetzungen, z. B. einer
politischen“ (ebd.), nannte.
Die Vorstellung einer hermetisch reinen Wissenschaft ermöglichte das noto-
rische Externalisieren bei der Suche nach Gründen für den miserablen Zustand
der Hochschulen in Österreich: Schuld waren der historische Zeitenlauf, die Ein-
mischung der Politik, die geringe Dotierung usw. Beiträge von außen (jenseits der
Professorenkreise) konnten als Gefahr einer buchstäblichen Penetrierung der Wis-
senschaft (insbesondere durch die Politik) abgewiesen werden. Die hegemoniale
Denkweise der Autonomie hatte legitimatorische, aber auch handlungsleitende
Funktion. Ironischerweise führte das zu jener Selbstbeschränkung, die wir schon
am Beispiel der Diskussionen über den Forschungsrat kennengelernt haben, wo
das Autonomieargument ja nicht zufällig mit solcher Verve vorgetragen worden
war. Es war aber trotzdem kein rein defensives Konzept; vor allem bot es seinen
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117