Seite - 47 - in Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich - Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Bild der Seite - 47 -
Text der Seite - 47 -
47
einer Einzelfallprüfung vorsahen“ (Fleck 2002, 3), führten Milde gegenüber angeb-
lichen „Mitläufern“ und der Druck der Entfernten auf ihre Posten zurückzukeh-
ren (Riebenbaum 1988, 79ff)15 mittelfristig dazu, dass die Entnazifizierung an den
Hochschulen bald zahnlos war.
Bis Mitte der 1950er Jahre wurden die ohnehin inkonsequent durchgeführ-
ten Maßnahmen im Rahmen der Entnazifizierung vielfach wieder rückgängig
gemacht (Knoll 1986, Weinert 1986). Eine Weichenstellung für die weitere per-
sonelle Entwicklung an den Hochschulen war schließlich der personelle „Rück-
bruch“: „Anhänger des autoritären Ständestaats“ beziehungsweise „Personen, die
nach 1938 als konservativ, deutschnational und parteiunabhängig ihre Professuren
behalten hatten“, übernahmen „die Neuorganisation der Universität“ (Heiß 2005a,
28). Die Riege alter Professoren, die solcherart wieder in ihre alten Positionen
zurückgeholt worden waren, war für die kommenden eineinhalb Jahrzehnte die
bestimmende Akteursgruppe in hochschulpolitischen Entscheidungsprozessen.
Das war schon Adolf Kozlik klar gewesen. Auf der Suche nach Gründen für
den Zustand der Hochschulen stellte er der Kerngruppe staatlich finanzierter, ver-
beamteter WissenschaftlerInnen ein schlechtes Zeugnis aus. Wegen der „Säube-
rungen seit 1934“ seien „die meisten bedeutenden Wissenschaftler von den öster-
reichischen Hochschulen“ entfernt worden:
„Übrig blieben die ‚unpolitischen‘ Professoren und jene, die sich dem poli-
tischen Winde beugten, oder die ihr politisches Mäntelchen rechtzeitig
nach ihm hängten. Es überlebten am leichtesten die Mittelmäßigen und die
Schmiegsamen.“ (Kozlik 1965, 160)
Kozlik sprach hier offen aus,16 was unter den wissenschaftlichen EmigrantInnen
schon lange und selbstverständlich als Hauptproblem der österreichischen Wis-
senschaftslandschaft nach 1945 gegolten haben dürfte.17 Kozliks Text liest sich
heute als eine Rekonstruktion der eigentümlichen Verfassungswirklichkeit der
Hochschulen, die sich von den proklamierten wissenschaftlichen Idealen deutlich
unterschied. Die „Freiheit der Wissenschaft“, so Kozlik, sei „[a]ngesichts der Will-
kür, der die Hochschullehrer bis zur Erreichung der vollen Professur ausgesetzt
sind“, ein „Hohn“ (ebd., 164). Er zeigte den Widerspruch zwischen hegemonialer
Denkweise und den realen Machtverhältnissen mit einem drastischen Vergleich
hellsichtig auf:
„Die Wissenschaft ist in Österreich ebenso frei wie eine Zeitung, die unter
Vorzensur steht: Auch sie darf alles drucken, was sie will, wenn es ihr
erlaubt wird. Die Lehrfreiheit an den Hochschulen ist ein kostbares Gut. Es
ist so kostbar, daß wir sie nur jenen gewähren, die Gewähr leisten, daß sie
sie nicht mißbrauchen.“ (Ebd., 159)18
Ausgerechnet einige der prominentesten Figuren an österreichischen Hochschulen
zeigten in der Auseinandersetzung mit ihrer persönlichen Geschichte wenig Refle-
xionsbewusstsein. In einigen Fällen können wir das als unbedarft bezeichnen, in
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117