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58 2006, 243) Dazu formuliert sie die These, dass wissenschaftliche EmigrantInnen
als „transnationale Eliten“ die „Intermediatoren der Vermittlung westlicher oder
amerikanischer, in jedem Falle internationaler Inhalte und Lehrstile“ gewesen
seien. Als GastprofessorInnen mit einer temporären Rückkehr nach Deutsch-
land und Österreich nahmen sie diese Funktion für eine gewisse Zeitperiode wahr
(ebd., 246f).10
Dieser Fokus auf die von der Forschung lange vernachlässigten wissenschaftli-
chen Gäste als transnationale Vermittler ist durchaus plausibel. Ob die These einer
versteckten Remigration durch Gastprofessuren richtig ist, erscheint zwar fraglich
– zumindest in Bezug auf die Universitäten in Österreich ist das Volumen dieser
zeitlich beschränkten Professuren (ebd., 248) doch etwas zu gering, um tatsächlich
von nachhaltigen Effekten ausgehen zu können.11 Es macht Sinn, die Zahl der wis-
senschaftlichen Gäste nicht auf emigrierte WissenschaftlerInnen zu beschränken:
Welche wissenschaftlichen Austauschbeziehungen wurden im Untersuchungszeit-
raum gepflegt und welche Personen bzw. welche Themenschwerpunkte kamen
damit an die österreichischen Universitäten?
Für das Einladen von GastwissenschaftlerInnen kann es mehrere Gründe
geben. Aus lokalen Ressourcen nicht zu deckender Lehrbedarf ist ebenso denk-
bar wie Bedürfnis zum intellektuellen Austausch, die Erfüllung repräsentativer
Rituale ebenso wie staatlich initiierte bilaterale Kulturdiplomatie. Ausschließ-
lich wissenschaftsimmanente Gründe werden jedenfalls selten ausschlaggebend
gewesen sein.
Es bietet sich an, exemplarisch die aufgezeichnete Gesamtheit der Austausch-
beziehungen an der Universität Wien als der größten universitären Einrichtung
in Österreich zu untersuchen. Als Hauptquelle dienen die jährlich erschienenen
„Universitätsberichte“, wo in der Rubrik V alle wissenschaftlichen Gäste angeführt
sind. In der Regel sind dabei auch Dauer des Engagements, Themenschwerpunkt
sowie die Herkunft des Gasts angegeben. Allerdings sind diese Angaben oft unvoll-
ständig. So finden sich teilweise Gastprofessuren im Vorlesungsverzeichnis der
Universität, aber nicht im entsprechenden Jahresbericht (oder umgekehrt). Aus
dem Vergleich mit den Akten der Fulbright Commission geht hervor, dass wenigs-
tens die Hälfte der US-Visiting Lecturers, die nachweislich an der Universität Wien
platziert waren, weder im Universitätsbericht noch im Vorlesungsverzeichnis Ein-
gang gefunden hat.12 Trotz alledem lässt sich für die 1950er Jahre eine große Zahl
an wissenschaftlichen Gästen feststellen.
Gesetzlich wurde zwar mit dem HOG eine Nomenklatur vorgegeben,13 aller-
dings wurde diese keineswegs einheitlich verwendet. In den Universitätsberichten
selbst fehlt jedenfalls jede Anstrengung zu einer einheitlichen Klassifizierung nach
Gästestatus oder Vortragsart.14 Doch können wir vier Kategorien unterscheiden
(siehe Darstellung 9). Diese Einteilung folgt der Aufenthaltsdauer, aus der am
ehesten auf die Wirkungsintensität des Gastaufenthalts geschlossen werden kann:
Je länger ein Aufenthalt dauerte, desto eher kann erwartet werden, dass ein Gast
Wirkung auf den Wissenschaftsbetrieb zu entfalten in der Lage war. 15
So können wir erstens ständige Gastprofessuren feststellen; zweitens Gastpro-
fessuren, deren Engagement ein Semester bis zu ein Studienjahr lang dauerte; drit-
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117