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offenbar von amerikanischer Seite als geeignet empfundenen Kandidaten? Bei
Parker lassen sich seine Vorbehalte nicht genau rekonstruieren. Im Falle Schicks
dagegen schon: Hier handelte es sich um politischen Opportunismus. Dabei ist
auffällig, wie dringlich die Sache Verdroß-Droßberg erschien. Noch bevor über-
haupt die Liste der vorgeschlagenen Grantees aus Washington eingetroffen war,
wurde bei der Diskussion des zweiten Programmjahres schon protokollarisch
festgehalten:
„It was pointed out that Prof. Schick, who was awarded a grant in 1951
which he did not take up but who might be applying again in 1952, was
editor of, and has published several articles in, the Western Political Quar-
terly, in which the Atlantic Pact and the Acheson Plan were opposed. It was
decided by the Commission to inform the Department of this fact and to
draw its attention to the dangers of the presentation of such an attitude by
an American citizen in present-day Austria.“16
Auch wenn er in dieser Passage namentlich nicht genannt wurde: Die beiden Texte,
auf die hier verwiesen wurde, waren im selben amerikanischen Wissenschaftsjour-
nal erschienen, in dem auch Verdroß-Droßberg gerade einen Artikel publiziert
und dabei Schick zitiert hatte.17 Von den Kommissionsmitgliedern konnte nur er
so detailliert über das wissenschaftliche Œuvre Schicks Bescheid wissen. Schicks
Thesen erschienen Verdroß-Droßberg als zu brisant für die damalige Situation in
Österreich. Auch er bekam keinen Fulbright Grant an eine österreichische Uni-
versität.
Individuelle Interventionen dieser Art lassen sich für spätere Jahren der Pro-
grammplanung und Platzierung von Grantees nicht mehr feststellen. Das bedeu-
tet nicht, dass Auswahl und Selektion nach weichen Kriterien nicht mehr statt-
gefunden hätten. Vermutlich wurde nur auf einer anderen Ebene verhandelt und
die politische Opportunität von KandidatInnen – zumindest im weltpolitischen
Maßstab – rückte in den Hintergrund.18 Dagegen blieb die Frage der Herkunft
bestimmend. Mit der Präferenzsetzung auf gebürtige StaatsbürgerInnen wurde
das ganze US-Visiting Lecturer-Programm in ein grundlegendes Dilemma manö-
vriert: Gute Deutschkenntnisse waren in einer Zeit, in der Studierende (und teil-
weise wohl auch WissenschaftlerInnen) nur selten ausreichend Englisch sprachen,
für eine erfolgreiche Tätigkeit als GastprofessorIn an einer österreichischen Hoch-
schule vorauszusetzen. Diese Qualifikation besaßen nun einmal vor allem Emig-
rantInnen. Sie waren also einerseits besonders geeignet, standen aber zugleich
unter Vorbehalt, amerikanische Werte weniger gut (authentisch) vermitteln zu
können.19
In einer Sitzung zwei Jahre nach Konstituierung der Kommission stellte der
vom BMfU zur Beratung hinzugezogene Ministerialbeamte Heinrich Ritschl in
Bezug auf das zweite Programmjahr (1952/53) fest,
„that only four American visiting lecturers are participating in this year’s
program which he considered regrettable since nine positions had been
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117