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112 zu tun. Schon zuvor hatte auch der Fulbright Grantee Ernest Manheim an der
Universität Graz die Einrichtung einer sozialwissenschaftlichen Forschungsstelle
angetragen – in Anlehnung an das von Knoll und Rosenmayr entwickelte Pen-
dant in Wien:
„Um die Fruechte der im Fach [Soziologie, Anm. T. K.] bereits investier-
ten Mittel und Bemuehungen auch zu ernten fehlt es meines Erachtens
an einer Forschungsstelle, die Studenten die Moeglichkeit bietet, empi-
rische Methoden zu erproben und Beitraege zum Stand des Fachwissens
zu leisten. Solch eine Staette waere auch in der Lage, Forschungsauftraege
von Behoerden in der Steiermark entgegenzunehmen und an interessierte
Kandidaten weiterzuleiten. Solch ein Austausch ist nach meiner Erfahrung
sowohl fuer die Auftraggeber, als auch fuer die Universitaet von Vorteil.“43
Manheim hatte seinen Brief an den zuständigen Dekan an der Universität Graz
gerichtet. Das Sekretariat der Fulbright Commission leitete aber zugleich auch
eine Kopie ans Ministerium weiter. Offensichtlich war dies ein Versuch, die Ini-
tiative an zwei Ebenen anzusetzen und damit mehr Druck auszuüben. Die ein-
gespielte Vorgehensweise zwischen Ministerial- und Universitätspersonal konnte
diesen Zangengriff souverän auskontern. Der zuständige Beamte im BMfU,
Franz Hoyer, versah die Eingabe mit einer einsilbigen Aktennotiz: „Bemerkt
wird, dass für die Antragstellung zur Errichtung eines diesbezüglichen Institutes
ausschliesslich die akademischen Behörden (§ 59 HOG) zuständig sind“,44 und
ließ Manheims Brief einlegen. Der Adressat des Briefes, der Dekan der rechts-
und staatswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Graz, Anton Tautscher,
scheint auf Manheims Brief schlichtwegs nicht reagiert zu haben. Auch Taut-
scher schmückte sich selbst gelegentlich gern mit der Bezeichnung „Sozialwis-
senschaftler“ (Tautscher 1966, 3); doch mit der empirischen Sozialforschung,
die Manheim vorschwebte, hatte er wenig am Hut – sein Metier war, darin ein
ebenso getreuer wie konservativer Schüler Othmar Spanns, die normative Gesell-
schaftstheorie.
Zumindest indirekt könnte Manheims erfolgloser Vorstoß zu der Initiative
von Lazarsfeld zur Gründung einer sozialwissenschaftlichen Ausbildungs- und
Forschungseinrichtung wenige Jahre später beigetragen haben. Die Leichtigkeit,
mit der Manheims Vorstoß zu den Akten gelegt werden konnte, musste Lazars-
feld klargemacht haben, dass sein eigener Vorstoß nur unter zwei Bedingungen
erfolgreich sein konnte: Er zielte von Beginn an auf eine Einrichtung im außer-
universitären Bereich ab, um universitätspolitische Implikationen gering zu hal-
ten, und bezog die Spitzen beider maßgeblichen Parteien, SPÖ und ÖVP, ein
(Fleck 2000). Einfacher wurde die Gründung des Instituts für Höhere Studien
(IHS) damit aber nicht. Zu groß war die Skepsis in den Reihen der Ministerial-
beamten und ProfessorInnen, dass man sich damit „ein Trojanisches Pferd in die
heiligen Hallen zu holen“ (Raith 2001, 14) würde.
Weniger bekannt als die Frühgeschichte des IHS ist heute die zeitgleich stattfin-
dende Initiative, American Studies an österreichischen Universitäten zu institutio-
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117