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118 Nachbildung führt, sondern „zur Bildung einer […] neuen ‚kulturellen Ordnung‘“
(Burke 2000, 37).
Dass dieser Kristallisationsprozess politisch aufgeladen war, versteht sich von
selbst – auch wenn die politischen Interessen nicht immer so einfach nachvollzieh-
bar sind wie im folgenden Beispiel. Als Walter Johnson und Francis J. Colligan
(1965) ihre Geschichte des Fulbright Program verfassten, erhielt Österreich eine
Anmerkung besonderer Art. Gleich auf den ersten Seiten ihres Buches schreiben
sie über die Popularität des Fulbright Program in den teilnehmenden Ländern und
führen dann aus:
„Its success was even more eloquently confirmed in 1963 when the Aus-
trian government undertook to finance the Program in that country jointly
with the United States. […] Other countries are now considering similar
arrangements.“ (Ebd., 5f)
Das Buch von Johnson und Colligan wird in vielerlei Hinsicht dem Anspruch
einer seriösen Historiographie gerecht (trotzdem sie mit einem Vorwort von Sena-
tor Fulbright eingeleitet und mit einem Zitat Präsident Johnsons geschmückt ist).
Dass zwei langjährige Mitgestalter des Programms eine offensichtlich so ausge-
wogene Studie hinbekamen, zeigt nicht nur die Sorgfalt, die einen anerkannten
amerikanischen Historiker einer Eliteuniversität ausmacht (Johnson war immer-
hin Professor für Geschichte an der University of Chicago). Es war (und ist) auch
Nachweis einer spezifischen Geisteshaltung, die das Fulbright Program in jenen
Jahren trug und die wir am besten als aufgeklärten, selbstkritischen Liberalismus
bezeichnen können.
Trotzdem stellt sich die Frage, wie weit wir der Studie von Johnson und Colligan
trauen können. Denn die zitierte Stelle war zumindest eine elegante Interpretation
der Wahrheit. Formal steuerte der Staat Österreich im neuen Abkommen von 1963
tatsächlich rund die Hälfte der Kosten bei. Doch das Fulbright Program in Öster-
reich war nur verlängert worden, weil, wie bereits gezeigt, die US-Regierung vorher
zugestimmt hatte, die Ende der 1950er Jahre noch vorhandenen ERP-Mittel der
alleinigen Kontrolle Österreichs zu überschreiben. Es war ein Kontingent aus den
ehemaligen Marshallplan-Geldern, das den österreichischen Anteil am Budget des
Fulbright Program darstellte. Mit anderen Worten: Österreichs Anteil am Fulbright
Program bestand aus Geldern, die ihm zuvor von den USA geschenkt wurden.2
Es war aber nicht nur der Umstand, dass die österreichische Regierung zwar
bestrebt war, das Fulbright-Abkommen zu verlängern, zugleich allerdings nicht
bereit war (oder sich nicht dazu in der Lage sah), einen eigenen finanziellen Bei-
trag zum Programm zu leisten. Im diplomatischen Schlagabtausch während sei-
ner Ausarbeitung spielten verschiedene Überlegungen, Interessen und Konstella-
tionen eine Rolle. Kulturdiplomatische Vorgänge und Entwicklungen fanden auf
mehreren Ebenen gleichzeitig statt, in ihnen spielten nationale, transnationale und
internationale Aspekte zusammen.3
Innenpolitisch wurde in Österreich am Beginn der 1960er Jahre die bisher eta-
blierte koalitionäre Kompetenzaufteilung zunehmend infrage gestellt. Folgerichtig
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117